Mittagessen um eins

Der international erfahrene Dick Advocaat soll Borussia Mönchengladbach ins internationale Geschäft führen. Das dazu passende Stadion hat die Borussia bereits, fehlen nur noch die Spieler

AUS GLADBACH DANIEL THEWELEIT

Jeff Strasser war gut unterhalten nach den ersten beiden Trainingstagen unter Dick Advocaat, dem neuen Trainer. „Wie ein Bestseller“ lese sich die bisherige Karriere des Holländers, der heute in Mainz erstmals als Verantwortlicher auf der Bank von Borussia Mönchengladbach Platz nehmen wird. Und wie ein Harry Potter die Bestsellerlisten, so soll auch die Borussia in den kommenden Monaten die Tabelle empor klettern – so lautete jedenfalls die Ankündigung bei Advocaats Vorstellung unter der Woche. Keine Rede war da mehr vom Abstiegskampf, in dem die Borussia als 14. der Tabelle steckt, Sportdirektor Christian Hochstätter meinte vielmehr: „Wir haben einen international anerkannten Mann verpflichtet, das ist ein klares Signal, wo wir hin wollen. Aufgrund seiner Vita ist der Erfolg garantiert.“ Der Vorwurf von Vorgänger Holger Fachs, dass der Mannschaft die „individuelle Klasse“ für höhere Ambitionen fehle, scheint gegenstandslos zu sein.

Auch Advocaat bediente brav die Träumer von einer rosigen Zukunft. „Mit diesem Stadion muss man in einem, zwei oder drei Jahren international spielen“, sagte der 57-Jährige. „Wir wollen schnell nach oben kommen, mit zwei Siegen ist ein Sprung möglich.“ Ein wenig erinnert diese Aussage an Jupp Heynckes Anfangszeit auf Schalke. Wie Advocaat, der „vielleicht sechs, sieben, acht Spieler“ des Kaders kennt, sind auch ihm Mannschaft und Bundesliga fremd. Man hatte Heynckes einen Kader mit internationalen Ambitionen versprochen, was er vorfand, war ein durchschnittliches Bundesligateam, das erst Monate später in der Lage war, seine Vorstellungen von modernem Fußball umzusetzen.

Gut möglich, dass auch Advocaat diese Zeit braucht, sein Amtsantritt war allerdings von einer Atmosphäre großer Ungeduld geprägt. Advocaat ist es gewohnt, mit Topspielern zu arbeiten und hat bereits allerhand Titel gewonnen, das weckt Begehrlichkeiten, man kann ihn durchaus als den von Präsident Rolf Königs geforderten „großen Namen“ bezeichnen. In insgesamt 54 Länderspielen betreute er zwischen 1992 und 1995 sowie zwischen 2002 und 2004 die niederländische Nationalmannschaft, außerdem war er unter anderem Trainer bei den Champions-League-Teilnehmern Glasgow Rangers und PSV Eindhoven. Nun soll der erste ausländische Trainer in der bewegten Gladbacher Geschichte auch die Borussia dorthin führen.

Zuletzt hatte Advocaat allerdings große Schwierigkeiten. Bei der EM wurde seine defensive Spielweise aufs Heftigste kritisiert, prompt trat der Trainer trotz des passablen Erreichens des Halbfinals entnervt und etwas beleidigt zurück. Das EM-Aus nagt immer noch an dem Mann, das war auch bei seiner Vorstellung in Mönchengladbach deutlich spürbar. Die Herausnahme von Arjen Robben im Gruppenspiel gegen Tschechien wird ihm in Holland noch heute übel genommen. „Die Auswechslung war sehr gut, nur der Spieler war vielleicht nicht richtig“, sagte er am Mittwoch mit einer seltsamen Mischung aus Witz und Dickköpfigkeit.

Defensive, Ordnung und Disziplin werden nun auch in Mönchengladbach an Bedeutung gewinnen. „Mit Spielern musst du wie mit Kindern sprechen. Wenn es um eins Essen gibt, dann heißt das nicht um fünf nach eins“, verkündete der „Repräsentant des skeptischen Realismus“, wie ihn die Frankfurter Rundschau einmal nannte. Mit einigen Spielern könnte er mit diesem Stil ebenso Probleme bekommen wie mit den Journalisten, die er schon in Holland stets als Feinde wahrnahm. „Ihr schon wieder“, stöhnte er, als er nach dem ersten Training von Reportern gestellt wurde. Advocaat fasste sich kurz. Wie es denn gewesen sei, wurde gefragt. „Gut“, lautete die Antwort. Dann verschwand er.

Jeff Strasser verriet dann noch, man habe gemerkt, dass Advocaat „ein sehr taktisch ausgerichteter Trainer ist, davon werden wir auf jeden Fall profitieren“. Wenn das in die „attraktive Spielweise“ mündet, die der Niederländer angekündigt hat, dann werden sie in Mönchengladbach gewiss auch mit dem für dieses Geschäft etwas unpassenden Charakter klar kommen, den Advocaat selber einmal so beschrieben hat: „Ich bin kein Schwätzer. Kurz und deutlich, das bin ich.“