MIT DER TREUHAND ENDET EIN FIASKO BUNDESDEUTSCHER POLITIK
: Verpasste Chancen im Osten

Es wäre besser, man hätte die Überreste der Treuhand-Nachfolgerin BVS in aller Stille beerdigt. Nur keine halb vernarbten Wunden aufreißen! Noch immer zuckt der ehemalige DDR-Bürger beim Begriff Treuhand zusammen, mit dem sich für ihn ganz überwiegend negative Erfahrungen verbinden. Statt treuhänderisch zu retten, was von der maroden DDR-Wirtschaft noch zu retten war, stand die Treuhand schnell in dem Ruf, einen skrupellosen Ausverkauf zu betreiben.

Die Prognosen über die Gewinne, die die Anstalt dabei erwirtschaften sollte, erwiesen sich dabei allesamt als Wunschdenken: Bis zu 300 Milliarden Mark sollte die Treuhand abwerfen – 1995 schloss sie stattdessen mit einem Defizit in fast dieser Größenordnung. Deshalb hätte die Idee des runden Tischs von 1989 nicht funktioniert, das „Volkseigentum“ nun endlich wörtlich zu nehmen und Anteilsscheine an die Bürger auszugeben. Eines treuhänderischen Managements der Transformation in die Privatwirtschaft hätte es in jedem Fall bedurft.

Diese Treuhand hätte die riesige Chance gehabt, den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik durch einen möglichst weitgehenden Erhalt von Strukturen und Aufbau von Eigentum zu unterstützen. Wirtschaftlich und mental, denn die Eigentumsfrage spielte für das Selbstwertgefühl im Beitrittsgebiet eine große Rolle. Dass auch bei dünnster Kapitaldecke im Osten der Erhalt von Betrieben durchaus möglich war, beweist die Welle zweiter Privatisierungen. Frustriert von der Treuhand griff die Belegschaft oft selbst zu, um den Betrieb zu retten.

Doch die Treuhand zementierte die ungleiche Verteilung von Kapital und Eigentum in Deutschland. Blindes Vertrauen in westdeutsche und ausländische Unternehmer mischte sich mit dem Einfluss von Lobbys und hoch bezahlten Beratern. Statt solider Begleitung und Markteinführung bewährter Produkte auf dem westdeutschen Markt wurden sanierungsfähige Betriebe möglichst schnell verramscht.

Es zeigte sich, dass viele Betriebe trotz der Auflagen nur zum Ausschlachten oder als platt zu machende Konkurrenten aufgekauft wurden. Altschulden wurden nicht generell erlassen, sondern brachten den neuen Gläubigerbanken hübsche Gewinne. Parlamente blieben von einer demokratischen Kontrolle der Betriebe weitgehend ausgeschlossen. Als das „größte Fiasko der bundesdeutschen Politik nach 1948“ bezeichnete der CDU-Bundestagsabgeordnete und spätere sächsische Justizminister Manfred Kolbe 1995 die Treuhand-Bilanz. Ein trauriges Kapitel vielleicht, aber keineswegs ein systemfremdes. MICHAEL BARTSCH