Die alte Garde übernimmt

Die PLO-Mitbegründer Abbas und Kurei übernehmen die Amtsgeschäfte des Palästinenserchefs. Israel verweigert Arafats Beerdigung in Jerusalem

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Während Palästinenser eine Genesung des hirntoten Jassir Arafat noch immer nicht ausschließen wollen, besteht in Israel kein Zweifel darüber, dass der Palästinenserpräsident stirbt: „Das ist das Ende“, berichtete die auflagenstärkste israelische Tageszeitung Jediot Achronot gestern in großen Lettern auf der Titelseite. Es sei lediglich eine Frage der Zeit, wann die medizinischen Geräte abgeschaltet werden.

Für Arafats Ehefrau Suha gäbe es einen Grund, die künstliche Beatmung fortzusetzen, so das Blatt: Arafats Vermögen, von dem offenbar niemand recht weiß, wo es angelegt ist. Zwischen 200 Millionen und einer Milliarde US-Dollar sollen sich im Privatbesitz des PLO-Chefs befinden. Als weiterer Grund wird angeführt, dass nicht geklärt ist, wo Arafat bestattet werden kann. Nach muslimischem Brauch muss ein Verstorbener innerhalb von 24 Stunden beerdigt werden. Israels Premierminister Ariel Scharon weigert sich, die Beerdigung in Jerusalem stattfinden zu lassen. Er schlägt stattdessen den Gaza-Streifen vor. „Arafat wird genauso wenig in Jerusalem begraben werden, wie Ussama Bin Laden auf dem Arlington-Friedhof in Washington begraben wird“, sagte ein Regierungssprecher gegenüber der Agentur dpa.

Die Palästinenser können sich nur schwer von ihrem „Vater der Nation“ trennen. „Ich bin mit Palästina verheiratet“, hatte Arafat vor seiner Trauung mit Suha stets auf die Frage geantwortet, warum er keine Familie gründe. Sein Volk, so interpretierte jetzt Jediot Achronot, verhält sich entsprechend wie eine trauernde Witwe, die versucht, den schmerzhaften Verlust zu verdrängen.

Premierminister Ahmed Kurei, auch genannt Abu Ala, traf unterdessen mit den palästinensischen Fraktionen im Gaza-Streifen zusammen, um militanten Erbfolgekämpfen vorzubeugen. Offenbar sagten die militanten Oppositionsgruppen eine Ruhephase zu, um Unruhen zu vermeiden. Niemand habe die Absicht, Eskalationen zu provozieren, hieß es. Trotzdem kam es am Donnerstag zu einer Schießerei zwischen verfeindeten Gruppen, die jedoch beigelegt wurde, bevor jemand zu Schaden kam.

Nach den Krisenberatungen des PLO-Exekutivkomitees am Donnerstag in Ramallah zeichnet sich eine Amtsfolge von Mahmud Abbas, genannt Abu Masen ab. Der ehemalige Premierminister war bislang die Nummer zwei in der PLO-Hierarchie und wird die meisten Ämter übernehmen. Ein Teil geht an Abu Ala, den amtierenden Premier Ahmed Kurei. Politische Beobachter rechnen für die kommenden Wochen nicht damit, dass die beiden PLO-Gründer ernsthaft herausgefordert werden. Allerdings stehen sie angeblich seit einigen Tagen unter erhöhtem Personenschutz.

Im Fokus der Entwicklungen stehen auch die beiden ehemaligen Sicherheitschefs Mohammed Dahlan und Dschibril Radschub. Dahlan gilt als mitverantwortlich für die blutigen Fraktionskonflikte im Gaza-Streifen und soll Übergriffe gegen Arafat-Anhänger lanciert haben. Dementgegen hatte sich Radschub nach schweren Auseinandersetzungen mit Arafat vor einigen Monaten mit ihm ausgesöhnt und war anschließend zum Nationalen Sicherheitschef ernannt worden.

Die israelische Seite wahrt, abgesehen von der Frage der letzten Ruhestätte, vorläufig Stillschweigen. Die Minister haben Anweisung, die Nachfolgedebatte in Ramallah unkommentiert zu lassen. Jedes israelische Signal der Sympathie für einen bestimmten Kandidaten wäre ohnehin kontraproduktiv.