Das Ende des Stabilitätspaktes ist nahe

Bundesregierung will EU-Sparauflagen nicht akzeptieren. Hoffnung auf Unterstützung anderer Länder bei Abstimmung

BERLIN taz ■ Vieles deutet darauf hin, dass der Stabilitätspakt von Maastricht in seiner bisherigen Form außer Kraft gesetzt wird. Am Dienstag hatte der Währungskommissar der Europäischen Union, Pedro Solbes, von der deutschen Regierung verstärkte Sparanstrengungen verlangt. Das Bundesfinanzministerium erklärte gestern aber, es wolle diese Auflagen zusammen mit anderen Ländern ablehnen. Das Stabilitätskriterium von Maastricht besagt, dass sich jedes EU-Mitgliedsland nur mit maximal 3 Prozent seines Bruttoinlandprodukts pro Jahr neu verschulden darf.

Die Einhaltung der Regeln soll dazu dienen, den Wert des Euro stabil zu halten und die Staatshaushalte zu sanieren. Deutschland reißt die 3-Prozent-Markenach 2002 und 2003 nächstes Jahr zum dritten Mal. Solbes hat eine Geldstrafe für Deutschland aufgeschoben. Er verlangt nun aber, dass 2004 zusätzlich etwa 4 bis 5 Milliarden Euro aus dem deutschen Staatshaushalt herausgekürzt werden.

Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) betonte gestern zwar seinen Willen zum Kompromiss mit Solbes, lehnt jedoch zusätzliche Sparanstrengungen ab – um die wirtschaftliche Erholung nicht zu gefährden. Angesichts der konjunkturellen Lage gehe Eichel davon aus, im EU-Finanzministerrat Anfang nächster Woche eine „breite Unterstützung“ für seine Auffassung zu erhalten, sagte Ministeriumssprecher Jörg Müller gestern. Daher gebe es auch keinerlei Überlegungen, wie die zusätzlichen Sparauflagen der Kommission erfüllt werden könnten.

Nach Einschätzung aus EU-Finanzkreisen kann Eichel tatsächlich mit ausreichender Unterstützung anderer Länder rechnen und die Sparauflagen der EU-Kommission zu Fall zu bringen. Weil sich die Finanzminister von Frankreich, Großbritannien und Italien vermutlich hinter Eichel stellen, käme die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit für den Sparbeschluss nicht zustande.

Die Union hat die Bundesregierung „dringend“ aufgefordert, sich an die EU-Vorschläge zu halten. Nach Ansicht mehrerer Wirtschaftsforscher kann Deutschland die Auflagen der EU-Kommission durch härteres Sparen problemlos erfüllen. „Vor allem beim Personal der Bundesländer ließen sich noch eine Menge Stellen sparen“, sagt Joachim Scheide, Konjunkturchef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Auch für die Einhaltung des Defizitkriteriums für 2005 will Eichel seine Hand nicht ins Feuer legen. Das sei abhängig vom dann herrschenden Wachstum. HANNES KOCH