Auf Schlingerkurs

Das Leben als Bewährungsprobe: Almut Tina Schmidt und Mariana Leky lesen am Mittwoch im Literaturzentrum

Zwei Debüts, eine Generation: Die Autorinnen Almut Tina Schmidt und Mariana Leky sind beide Anfang der 70er Jahre geboren. Ihre aktuellen Bücher jedoch, die sie jetzt im Literaturzentrum vorstellen werden, scheinen auf den ersten Blick nichts gemeinsam zu haben. Zu unterschiedlich sind Sprache und Grundton der Texte gewählt.

Beide Autorinnen aber entwerfen Figuren, die den Kurs nicht halten können, denen das Leben zur alltäglichen Bewährungsprobe wird. In Mariana Lekys Debütroman „Erste Hilfe“ ist es Mathilda, der das Überqueren einer Straße plötzlich zur Bedrohung wird „weil vielleicht mitten auf der Straße ein Verrücktsein ausbricht“. Sie sucht Unterschlupf bei der Ich-Erzählerin, die in einer Zoohandlung jobbt und ihre Magisterarbeit nicht auf die Reihe kriegt, und deren Mitbewohner Sylvester, einem beziehungsunfähigen Frauenschwarm. Und noch mehr erfährt man über die Ich-Erzählerin, ihre enttäuschten Lieben, ihre Freundschaft zu Mathilda, das Verhältnis zu Sylvester. Und man kann sich nicht entscheiden: Handelt es sich um eines jener Bücher der so genannten jungen deutschen Gegenwartsliteratur, die jeglichen tieferen Gehalts entbehren? Die zwischen vorgeblicher Naivität und Einfachheit changierende Sprache und der über weite Strecken allzu vertraute Handlungsspielraum sprechen dafür. Doch immer wieder überrascht die Autorin, die einen Blick fürs Situative hat, mit dichten und witzigen, auch sensiblen Szenen.

Almut Tina Schmidts Erzählung „Auswachsen“ dagegen verweigert sich schon formal der Gefälligkeit. Wo befindet sich die Ich-Erzählerin gerade, und wer ist Bianca? Schmidt fordert eine aufmerksame, aber keine angestrengte Lektüre, um der Lebenssituation ihrer Hauptfigur auf die Spur kommen und dran zu bleiben. „Und jetzt? Ich bin mit dem Wachstum am Ende. Zeit, Medizin zu studieren. Also diese Phase zwischen Schule und dem Danach.“ Schnell werden dabei die Koordinaten deutlich: Die Betreuung alter Menschen, als Vorbereitung auf das Studium, die Spannungen mit der Freundin Bianca, die Distanz zu den Eltern. Die Ratlosigkeit gegenüber dem zukünftigen Werdegang ist allumfassend, und die Erlebnisse mit den „Alten“ potenzieren und relativieren sie zugleich.

In lakonischen Tonfall schildert Schmidt die tägliche Herausforderung, das Bittere, aber auch das Komische darin. Sensibel schildert sie ihre Protagonistin als eine, die genau zuhört, mehr aufnimmt als handelt; und wie aus dieser vermeintlich passiven Haltung heraus schließlich das „Auswachsen“ beginnen kann. Carola Ebeling

Mariana Leky: „Erste Hilfe“, Köln 2004, 189 S., 17,90 EUR. Almut T. Schmidt: „Auswachsen“, Graz/Wien 2002, 180 S., 19 Euro Lesung: 10.11., 20 Uhr, Literaturzentrum, Schwanenwik 38