Lob der Extreme

Singer/Songwriterin und Cellistin: Jorane gastierte bei der Roots Night im Schlachthof

Mädchen, so in den Zwanzigern. Mädchen, die ihr Innenleben nicht bei sich behalten können. Und auf pfiffige Manager treffen, die das als Pop mit Seelenstriptease-Erotik verkaufen. So klampfen sich dann die twenty somethings als rührend sensible Lyrikerinnen ins Leben hinaus. Oder schrammeln sich mit lärmend direkten Rockismen ins wütende Girlie-Image hinein. Oder sie heißen Jorane – wie die inzwischen 28-jährige Frankokanadierin, die zur Roots Night im Bremer Schlachthof gastiert.

Jorane ist eine virtuose Spagatkünstlerin zwischen den beiden Extremen des Mädchenpop. Einerseits sägt und schlägt und fiddelt und kratzt sie auf ihrem Cello mit perkussiver Intensität, sorgt für eine kammermusikalische Schmirgelatmosphäre. Andererseits sopraniert sie mit kapriziöser Sirenenkraft und strahlender Intonation, auch mit mal jodeligen, mal jazzig scattenden Anflügen.

Das bewusst den schönen guten Ton verweigernde Cellospiel und der atemlos besänftigende Gesang verweben in selten gehörter Innigkeit. Zwei Ausdrucksextreme einer spannungsreichen Liaison. So bodenständig wie verweht.

Die Songs werden im Konzert mit viel zu viel Hall abgemischt und entschweben auch mal in nebulöse Enya-Gefilde. Aber vielleicht klingt das so, wenn man „Travelling in me“ als musikalische Kunstform betreibt.

Vielseitig ist Jorane allemal. Unterstützt von einem dezent, aber etwas hüftsteif groovenden Schlagzeuger und einem brav die Akkorde dienernden Gitarristen inszeniert die singende Cellistin fragile Intimitäten, melancholische Breitwandepen, Apocalyptica-Rocker, düstere Miniaturen, und sogar eine Tanzanimation mit der amüsanten Coverversion des Donna-Summer-Disco-Hits „I feel love“.

Auch wenn Jorane mit dem Cello zwischen den Beinen ihr Konzert nur arg bewegungsgehemmt gestalten kann, macht sie dieses Live-Manko mit der energischen Überzeugungskraft ihres Vortrags weg. Songs, die qualmen. Und glitzern. Faszinierend seltsam. fis