Wir schauen – wie sie bauen

Architektur in allen Aggregatszuständen: im Speicher XI sind studentische Entwürfe für Weserbusse und Künstlervillen (BDA-Preis) ebenso zu sehen wie die Bilanz von „40 Jahre Hübotter“ – eine Schau über den „guten Baulöwen von Bremen“

„Architektur hat viel mit Geld zu tun, aber wenig mit viel Geld“

„Die Studenten sind oft überwältigt von der ersten guten Idee“: Eine aus erfahrenen Berufspraktikern gebildete Jury ist keine Samthandschuhvereinigung. Und so sparten die JurorInnen des 14. Studienpreises des Bundes Deutscher Architekten (BDA) nicht mit deutlichen Worten anlässlich der Preisvergabe im Speicher XI. Ihre Kritik: Zwar falle das Ausführungsniveau der eingereichten Zeichnungen und Modelle positiv auf, aber der „Mut zum Extremen“ sei genauso förderungsbedürftig wie die Lösung konstruktiver Fragen „wenig belichtet“.

Die Gruppe um Robert Lemmen vom städtischen Planungsamt, die sich während ihrer Sitzungen offenbar auch als Gastro-Jury qualifizierte („das Hafenmuseumsrestaurant ist sehr empfehlenswert“), hob außerdem das Fehlen städtebaulicher Orientierungen in den von HochschulstudentInnen aller Semester eingereichten Arbeiten hervor.

Zumindest verkehrsplanerische Ansätze sind jedoch zu sehen: Bisen Coskun hat die 40 innerbremischen Weserkilometer als hochfrequentierte Verkehrsader verplant. „Weserbus“ und Wassertaxen zirkulieren in dichter Folge, laut Coskun unerlässliche Voraussetzung für eine europäische Kulturhauptstadt 2010. Wobei die orangen ÖPNV-Module mit den gerundeten Ecken auch an gewisse U-Bahn-Ästhetiken der 70er erinnern.

Erstaunlich viele Entwürfe widmen sich luxuriösen Wohnformen. Darunter die preisgekrönte „Künstlervilla“ von Leonie Wenz. Aus einem segmentierten Würfel hat die Viertsemesterstudentin die Gestalt der in einen Hang gebauten Villa mit Wohn- und Arbeitsbereichen entwickelt. Dass sie dabei mit Bleistift (beziehungsweise Kohle) statt Maus gearbeitet hat, erfreute die Jury sichtlich, und in der Tat haben Wenz’ Aufrisse und Ansichten eine atmosphärisch beeindruckend sinnliche Ausstrahlung.

Vier Segmente weiter vorn im Speicher XI wurde zeitgleich eine Ausstellung vom anderen Ende des Produktionsprozesses eröffnet: Fotos und Kurzbeschreibungen wichtiger Bremer Bauten wie Schlachthof, Villa Ichon, Uni-Gästehaus oder dem im Erstentwurf sehr umstritten gewesenen Neubau des abgebrannten „Haus im Park“.

Deren Gemeinsamkeit: Sie wurden samt und sonders in der Bauträgerschaft der Hübotter Wohnungsbau AG errichtet, saniert oder mit einem neuen Betriebskonzept versehen. Immer nach der Maxime: „Architektur hat viel mit Geld zu tun, aber wenig mit viel Geld.“

Diesem bauwirtschaftlichen Credo hat Bremen den Erhalt beziehungsweise Umbau einer langen Reihe von Gebäuden zu verdanken – zuletzt des Speichers XI, der lange als unrentables Hafenrelikt galt. Das Thema der Jubiläumsausstellung ist also kein primär architektursprachliches: Zu sehen sind die Ergebnisse einer Bauphilosophie, die mit viel Fantasie nach pragmatischen Konstruktions- und Substanzerhaltslösungen sucht. Stets mit dem Ehrgeiz, von anderen angenommene Mindestkosten zu unterbieten, wovon dann wiederum – via öffentlicher Nutzbarkeit – sehr viele etwas haben.

Das ist in einem Gewerbe, das für nichts weniger berühmt ist als seine moralische Verfasstheit, ziemlich ungewöhnlich. Dahinter steckt der eigenwillige Charakter von Klaus Hübotter, dem dichtenden Juristen und langjährigen DKP-Mitglied, dessen gern gebrauchtes „wir“ immer so schön zwischen Plural Majestatis und Kollektivbewusstsein schwebt. Hübotter hat sich einen Ruf als Bremens guter Baulöwe erworben. Dabei ist er nicht nur ein ebenso kreativer wie genau kalkulierender Bauherr, sondern auch akribischer Archivar der eigenen Aussprüche. Wer so viel reimt, braucht einen Selbstverlag – dort sind seine bereits zahlreichen Bände mit Projektbeschreibungen und „Du baust-wie-du-bist“-Aphorismen erschienen.

Wie kommentiert Hübotter solche Zeilen? Vermutlich mit: „Alles Unsinn, wir sind Kaufleute.“ Stimmt: allerdings welche, die aus Prinzip keine Mietshäuser bauen und dafür die allgemeine Bezahlbarkeit von Eigentumswohnungen fordern. Auch derartige Wohnprojekte sind in der Ausstellung zu sehen. Henning Bleyl

Arbeiten des BDA-Studienpreises: von heute bis Mittwoch, 6. Segment, 3. OG des Speicher XI; 40 Jahre Hübotter: bis 23. Dezember, 2. Segment, Di–So 11–18 Uhr; am 29. November (20 Uhr) findet dort eine öffentliche Diskussion über Hübotter’sche Projekte statt.