Ein Herz und eine Seele

Harmonie pur auf dem Bochumer SPD-Parteitag. Schröder zu Jüttner: „Euch mach ich fertig.“ Jüttner zu Schröder: „Soll sich an eigene Nase fassen.“ Gabriel zu wem auch immer: „Es gibt ein paar, die jedem anderen unterstellen, er würde genauso intrigant arbeiten wie er selber“

BOCHUM taz ■ Die SPD zeigte sich zu ihrem Bochumer Parteitag von der allerbesten Seite. Der Kanzler und Parteivorsitzende Gerhard Schröder warf dem niedersächsischen Landesverband vor, für das schlechte Wahlergebnis von Generalsekretär Olaf Scholz verantwortlich zu sein, und drohte mit finalen Konsequenzen. „Euch mach ich fertig“, soll Schröder gegenüber Landeschef Wolfgang Jüttner gesagt haben.

Jüttner wollte nicht bestätigen, dass diese Worte wirklich gefallen sind. Er warf der SPD-Führung jedoch vor, für das schlechte Ergebnis von Scholz (52 Prozent) selbst gesorgt zu haben, weil sie die Lage vor dem Parteitag falsch eingeschätzt habe. „Die sollen sich an die eigene Nase fassen“, sagte Jüttner. Schröders Sprecher Béla Anda ließ sich mit einem doppeldeutigen Dementi vernehmen. „Äußerungen dieser Art entsprechen nicht dem Sprachgebrauch des Bundeskanzlers.“

Als der eigentliche Intrigant gegen Scholz gilt vielen der niedersächsische Fraktionschef Sigmar Gabriel. Sie werfen ihm vor, er habe Vertraute aus seinem Landesverband die Ablösung des Generalsekretärs fordern lassen, während er sich selbst öffentlich vor Scholz gestellt habe. „Ich wollte und will nicht SPD-Generalsekretär werden“, sagte Gabriel zur taz. Die Vorwürfe nannte er eine „Dolchstoßlegende“. Die Abstrafaktion gegenüber Scholz und Clement nannte er eine „Sauerei“. Gabriel verlangte mehr Solidarität: In der SPD gebe es jedoch „ein paar, denen eine solche Denkweise so fremd ist, dass sie jedem anderen unterstellen, er würde genauso intrigant arbeiten wie sie selber“. Hubertus Heil, ein Vertrauter Gabriels, bestätigte der taz, dass Gabriel vehement für Scholz geworben habe und dafür aus den eigenen Reihen heftig kritisiert worden ist.

Fraktionschef Franz Müntefering gab zu, nicht zu wissen, wer gegen Scholz gestimmt habe. „Aber das interessiert mich schon“, sagte er der taz. Ute Vogt, die neue stellvertretende SPD-Vorsitzende, hält den Vorwurf an die Niedersachsen für unberechtigt. „Niedersachsen hat keine 48 Prozent“, sagte sie der taz. Die Parteispitze müsse das schlechte Ergebnis jetzt annehmen und Konsequenzen daraus ziehen. „Ich bin bereit, Scholz bei der Kommunikation innerhalb der SPD zu unterstützen“, so Vogt. „Teamarbeit“ sei jetzt gefragt.

Der Parteitag in Bochum hat am letzten Tag dem Reformfahrplan des Kanzlers zugestimmt. Die Delegierten sprachen sich für eine höhere Erbschaftsteuer zur Finanzierung von Zukunftsinvestitionen und für die schrittweise Einführung der Bürgerversicherung aus. In zwei Detailpunkten des Leitantrages konnte sich die SPD-Spitze jedoch nicht durchsetzen. JENS KÖNIG

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