Der Zickenfrieden

Anni Friesinger und Claudia Pechstein haben sich in der Vergangenheit nicht sonderlich gemocht. Nun aber sollen sie gemeinsam siegen

AUS BERLIN JOACHIM MÖLTER

Es war ein ungewohntes Bild, das die Eisschnellläuferinnen Anni Friesinger und Claudia Pechstein abgaben: Am Rande der deutschen Meisterschaften im Berliner Sportforum saßen sie einträchtig nebeneinander und reichten sich für die Fotografen dann auch noch lächelnd die Hände. Man wird sich wohl daran gewöhnen müssen, die beiden so friedlich nebeneinander zu sehen. Die Olympiasiegerinnen von Salt Lake City 2002 haben ihren so genannten Zickenkrieg beendet und wollen künftig gemeinsame Sache machen, wenn es um eine neue Übung in ihrer Sportart geht: der Mannschaftsverfolgung, in der Fachsprache: Team Pursuit. Diese Disziplin ist in diesem Jahr sowohl ins Programm der Olympischen Spiele als auch in das der Weltmeisterschaften aufgenommen worden, und bei der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) machen sich die Verantwortlichen große Hoffnungen. Ähnlich wie beim Bahnradfahren kurven jeweils drei Läufer eines Landes schnellstmöglich um die Bahn, achtmal bei den Männern, sechsmal bei den Frauen. Weil die DESG im internationalen Vergleich die meisten schnellen Frauen hat, sind die Ziele hoch für die WM (3. bis 6. März 2005) in Inzell und Olympia 2006 in Turin. „Wir wollen mit dem Team auf die höchste Stufe“, sagt DESG-Cheftrainer Helmut Kraus (München), „wenn wir sagen, wir wollen Zweiter oder Dritter werden, glaubt uns das sowieso keiner“. Für die Mission Mannschaftsgold haben sich die Rivalinnen also zu einer Zweckgemeinschaft zusammengetan. „Die wären ja echt dumm, wenn sie nicht an einem Strang ziehen“, findet Friesingers Trainer, Markus Eicher.

Für die Mannschaft sind sie „mehr oder weniger gesetzt aufgrund ihres Leistungsvermögens“, sagte Cheftrainer Kraus. Als dritte Frau hat sich die Erfurterin Sabine Völker empfohlen, immerhin dreifache Medaillengewinnerin bei Olympia 2002 über 500, 1.000 und 1.500 Meter. „Sie passt von der Körpergröße und der Schrittlänge her ganz gut rein“, findet Kraus, „und von der Haarfarbe her auch.“ Die drei Blonden werden also wohl beim Weltcup-Auftakt am kommenden Wochenende in Hamar (Norwegen) den ersten internationalen Testlauf für die DESG bestreiten. Die Inzellerin Friesinger und die Berlinerin Pechstein haben sich bereits im Sommer auf neutralem Eis in Erfurt getroffen und zusammen die Wechsel in der Führungsarbeit geübt. „Es ist wichtig, dass kommuniziert wird“, hat DESG-Sportdirektor Günter Schumacher festgestellt, „beim Wechsel kann man eine halbe Sekunde gewinnen oder verlieren.“ Miteinander reden tun sie, versichert Anni Friesinger: „Wir feuern uns schon gegenseitig an.“ Überhaupt seien die beiden in Erfurt „gut über die Runden gekommen. Wir haben uns nicht in die Haare gekriegt“, berichtete die Inzellerin. „Wir sind uns nicht in die Quere gekommen. Der Schritt hat ganz gut gepasst“, bestätigte Pechstein das harmonische Miteinander. Und beide beteuerten, der neue Team-Wettbewerb mache auch Spaß. Pechstein: „Man geht da mit Lust und Laune ran. Mit Widerwillen bringt’s sowieso nichts.“

Bei den deutschen Meisterschaften am Wochenende im Berliner Sportforum gingen sich die beiden freilich erst einmal noch aus dem Weg. Am Freitag gewann Pechstein die 3.000 Meter in sehr guten 4:07,73 Minuten, tags darauf verteidigte Friesinger ihren 1.500-Meter-Titel in 1:59,06. Erst am Sonntag kam es zum direkten Vergleich – auf der 1.000-Meter-Distanz, die Pechstein nur zu Trainingszwecken lief. Da wurde sie Vierte in 1:18,83, Friesinger Dritte in 1:18,26 und Völker Zweite in 1:18,08; die wieder erstarkte Monique Garbrecht-Enfeldt (Berlin) holte sich in 1:17,38 ihren zweiten Titel nach den 500 Metern.

Die Claims auf den Einzelstrecken haben die deutschen Frauen also offenbar abgesteckt. „Ich werde im Weltcup zwar auch die 1.500 Meter laufen“, sagte Pechstein, „aber das ist nicht meine Hauptstrecke.“ Das bleiben die 3.000 und die 5.000 Meter, wohingegen sich Rivalin Friesinger auf die 1.000 und 1.500 Meter konzentriert, allerdings auch über 3.000 Meter gelegentlich mitmischen will.

Dass aus den beiden Frauen plötzlich die besten Freundinnen geworden sind, braucht man freilich nicht zu glauben. Sie sind eher Geschäftspartnerinnen, und das auch nur, wenn es ums Team geht. „Da müssen wir gemeinsam ins Ziel kommen“, sagt Friesinger. Ansonsten konkurrieren sie weiter auf den Einzelstrecken. DESG-Sportdirektor Schumacher hofft trotzdem, dass die Zeiten des Zickenzoffs vorbei sind: „Erfolg verbindet“, sagt er, „und wirkt hoffentlich mäßigend auf die Temperamente.“