Thailands Rothemden geben auf – vorerst

Die Anführer der Proteste gegen die Regierung brechen ihre Aktionen ab. Jetzt drohen ihnen Gerichtsverfahren

BANGKOK taz ■ Ein paar Dutzend Busse parkten am gestrigen Dienstag in Reih und Glied vor dem Regierungsgebäude in Bangkok. Menschen, viele von ihnen im roten T-Shirt, stiegen mit gesenktem Haupt in die Busse, um die Heimreise in ihre Dörfer anzutreten. So manch einer der „Rothemden“, die seit drei Wochen den Amtssitz des thailändischen Premiers Abhisit Vejjajiva besetzt hielten, ballte noch einmal die Faust zum Abschied. Der Kampf war kurz und heftig, 120 zum Teil schwer Verletzte und zwei Tote sind nach den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Regierungsgegnern und der Armee zu beklagen.

Die Abreise der Regierungsgegner aus Bangkok symbolisiert, dass die Serie von Blockaden und Demonstrationen, unter der die Bevölkerung seit Monaten leidet, erst einmal gestoppt werden konnte. Die geballte Faust weist aber auch darauf hin, dass die Krise noch lange nicht beendet ist. Noch wird das Victory Monument, am Montag das Zentrum von Schießereien, von Soldaten gesichert. „An jeder Ecke stehen mindestens zehn“, berichtet eine Augenzeugin. Man habe für die Demokratie gekämpft, sagte Vira Musikapong, einer der Anführer der Rothemden, die sich „Union for Democracy against Dictatorship“ nennen. Er ergab sich am Dienstag gemeinsam mit drei weiteren der Polizei.

Von Kapitulation will niemand sprechen, obwohl das Ziel, die Regierung zum Rücktritt zu zwingen, nicht erreicht wurde. Man gebe jetzt auf, um das Leben weiterer Bürger zu schützen. Es sei besser, die Proteste „für eine Weile auszusetzen,“ ergänzt Prateep Ungsongtham Hata, Sprecherin der Regierungsgegner.

Seit rund drei Jahren tobt in dem Königreich ein schwer durchschaubarer Machtkampf. Die Rothemden sympathisieren mit dem armen, aber bevölkerungsreichen Norden des Landes, der ihnen die Wahlstimmen sichert. Als Premier Thaksin 2006 vom Militär durch einen Putsch entmachtet wurde, galt er unter den Bewohnern als so etwas wie ein Robin Hood, der ihnen ein besseres Leben versprach. Sie kämpfen bis heute für seine Rückkehr an die Macht.

Mit dem Abzug seiner Anhänger muss er – vorerst – sein Scheitern hinnehmen. Seine Gegner, die „Gelbhemden“, die im Vorjahr die Flughäfen in Bangkok gekapert hatten, repräsentieren Bangkoks urbane Mittelschicht und die königstreue Aristokratie.

Unschlüssig verhielt sich in den vergangenen Monaten das Militär in dem Konflikt. Doch jetzt hat es Premierminister Abhisit den Rücken gestärkt. „Als am Wochenende die Rothemden den Asean-Gipfel in Pattaya gestürmt hatten, war den Militärs klar, dass ihnen alles aus der Hand gleiten könnte“, sagt Supong Limtanakool, Leiter des Zentrums für Strategische Studien in Bangkok. „Es drohte die Anarchie.“ Premier Abhisit, der erst seit vier Monaten einer fragilen Regierungskoalition vorsteht, habe deshalb den politischen Ausnahmezustand verhängt. Jetzt sei es am Premier, der Opposition ein Gesprächsangebot zu machen. Abhisit sei ein kompromissbereiter Mensch, sagt Supong, „kein Hardliner“. Das sei seine Chance, für Stabilität zu sorgen, denn Neuwahlen „verlängern nur die Probleme“.

Die Regierung unter Abhisit kündigte an, die Anführer der Rothemden vor Gericht zu stellen. Ein wichtiger Schritt, um künftige Ausschreitungen zu verhindern, glaubt Supong. „Keine stabile Justiz bedeutet gar keine Justiz.“ Man müsse auf dem Weg zu mehr Demokratie dafür sorgen, dass Gesetze eingehalten werden. Der Regierungschef hatte auch angekündigt, die für die Flughafenbesetzung verantwortlichen Gelbhemden vor Gericht zu bringen. Geschehen ist bisher nichts. ANDREA WALDBRUNNER