Ein Pionier hört auf

Hormonwarnungen, Leukämiestudien und Brustkrebsscreening – der Gründer des Bremer Instituts für Präventionsforschung und Sozialmedizin, Eberhard Greiser, tritt ab

Bremen taz ■ Die erste Stufe des Abschiedsfeuerwerks wurde gestern gezündet. Deutsche Prominenz aus der bevölkerungspolitischen Gesundheitsforschung, kurz: Epidemiologie, kam zum zweitägigen Fachsymposium zu Ehren des Forschers Eberhard Greiser nach Bremen. Der Mitbegründer des pharma- und medizinkritischen Bremer Instituts für Präventionsforschung und Sozialmedizin (BIPS) geht kommenden April in den Ruhestand. Am 28. Novemer soll die derzeitige BIPS-Abteilungsleiterin und Statistikprofessorin Iris Pigeot als Nachfolgerin in die Leitungsposition berufen werden. Eine Ära geht zu Ende.

Seit Gründung des Instituts vor über 20 Jahren haben die Forscher des BIPS viele unangenehme Wahrheiten ans Licht geholt – und sich gegen viele Anfeindungen wehren müssen. Mit heiklen Themen und weit reichenden Präventionsvorschlägen hat ihre Forschung viele Bürger sehr direkt erreicht. Zuletzt machte Greiser mit Warnungen vor der „Zeitbombe“ Hormone bundesweit Schlagzeilen. Frauen in den Wechseljahren würden durch Hormonsubstitution lebensbedrohlichen Risiken ausgesetzt. Es folgte ein grundlegendes Umdenken in der Ärzteschaft – und Einbrüche im einträglichen Medikamentenverkauf.

Auch mit der Studie über die gehäuften Leukämiefälle ums AKW Krümmel betrat das BIPS umkämpftes Terrain – um in Bezug auf Leukämie auslösende radioaktive Strahlung allerdings Entwarnung zu geben: Elektromagnetische Spannung durch Hochleitungsmasten und Elektroverdampfer sowie Holzschutzmittel schädigten die Menschen in der Gegend. Ein letztes Schlachtfeld, wo das BIPS die echte Präventionswirkung von Brustkrebsfrüherkennung durch Mammographiescreening erforschen wollte, musste Greiser schließlich räumen. Das BIPS zog sich im Unfrieden mit dem Bremer Träger des Modellversuchs in drei deutschen Regionen zurück. Ganz wirkungslos blieb die Debatte um das Screening dennoch nicht. Nach aufklärung über Nachteile und Risiken einer solchen Röntgenaktion lag die Beteiligung von Bremer Frauen daran relativ niedrig. „Er war ein Großer“, erkennen viele FachkollegInnen die Leistungen des studierten Pharmakologen Greisers an.

Die Berufung eines Nachfolgers als Abteilungsleiter für Epidemiologie und Sozialmedizin hat das Bremer Wissenschaftsressort trotz eindeutiger Empfehlungen für einen Mediziner unterdessen noch nicht geregelt. Innerhalb der rund 70-köpfigen BIPS-Belegschaft führt das zu Unruhe, würde doch der medizinische Bereich im Haus dadurch fast ausgeschaltet. Manche sprechen schon von einer internen Zerreißprobe und sorgen sich um den Fortbestand des kritischen Ansatzes im Haus. Erschwerend kommt hinzu, das verstärkt Mittel aus der Industrie eingeworben werden müssen, um Forschung weiter zu finanzieren. EVA ROHDE