Blühender poetischer Witz

Von dem Ausblick auf den Garten Eden zu unerlaubten Absprachen der Ölmultis: Die „Paradiesgärtenschau“ in Standardblumenkübeln aus Waschbeton in der City Nord

Jeder Garten, vom orientalischen Lustgarten über die romantische Landschaftsgestaltung bis zur Blumenbank im Büro, ist Modell und Abglanz des Paradieses. Dass der Hamburger Garten Eden nun ausgerechnet in der City Nord zu finden ist, verblüfft allerdings. Aber es geht nicht um die einst vorbildliche Einbettung von großen Firmenzentralen in eine Gartenlandschaft, es geht um das zweite Kunstprojekt auf der „Ebene +14“.

Dort haben die art agents Julia Sökeland und Nasim Weiler zwischen den nackten Wänden zu einer Paradiesgärtenschau aufgerufen. Doch in ironischer Abwandlung des historisch großartig besetzten Begriffs geht es dabei um die modellhafte Gestaltung von Standardblumenkübeln. Drei Künstlerinnen und sechs Künstler haben die längsrechteckigen Waschbetonkästen auf verschiedenste Weise bepflanzt, bearbeitet und umgestaltet – und so eine gegebene Situation mit begrenztem Aufwand, aber einigem poetischen Witz positiv besetzt.

Gestern Abend verlieh die Eigentümergemeinschaft drei mit jeweils 1.000 Euro dotierte Preise. Herausgehoben wurde so Insa Winkler, die in ihrer Arbeit Galaxias die Kübel als Halterungen für fast schwebende Inseln verwendet, die, mit Moosen und Pflanzen ummantelt, die symbolischen Formen von Herz, Wolke und Palme annehmen – eine grüne Liebes- und Reisesehnsucht. Dirk Meinzer erhielt den Preis für seine dreiteiligen Mikrokulturen, deren evolutionär wohl noch etwas vor dem biblischen Paradies liegende Sporenpilze zudem in den politischen Farben schwarz, rot und gelb leuchten.

Viel abstrakter ging der dritte Preisträger mit dem Thema um. Mark Wehrmann sah im Paradies ein Glücksversprechen, das am ehesten kapitalistisch einzulösen ist: Er tauschte sein ganzes Projektbudget in kleinste Münze um, füllte seinen Pflanzkasten mit Tausenden von Cent-Stücken und machte ihn so zu einem Wunschbrunnen. Inzwischen weitgehend für unbekannte Wünsche ausgefischt, bleibt nun die dazu plakatierte Geschichte, wie die Farben der Blumen einem Gerücht zufolge einst die Preisabsprachen der Ölmultis in der City-Nord signalisiert hätten.

Weitere poetische Entwürfe sind Steven Craigs glühbirnenumkränzter Luna-Park-Blumenkasten, Yvonne Langes Heideidyll mit Badeente und Andy Yoos Hängende Gärten. Malte Urbschat hat ein Öko-Paradies für Würmer gebaut und Frank Lüsing jeweils zwei Pflanzkästen aufeinander gemauert und darin ganz pharaonisch einen Satz von eigentlich zur Verlosung vorgesehenen Alltagsdingen für eine möglicherweise paradiesische Zukunft eingesargt. Passantenfreundlicher baute Heike Lorenz zwei Kästen zu einer Sitzgruppe um. Als einzig praktisch nutzbare unter allen Interventionen, soll diese auf das Schneewittchen-Märchen bezogene Arbeit auf Dauer für die City-Nord erworben werden. Hajo Schiff

Paradiesgärtenschau, „Ebene +14“, Mexikoring 5-17, City Nord, bis 31. März 2004. Parallel dazu in den Ausstellungsräumen: In Warengesellschaft,mit Bildern von Anke Berßelis, Frank Jebe und Robert Klümpen: Do+Fr 12–18 Uhr; bis 19. Dezember