IM AFRIKA DER GROSSEN SEEN STÜTZT EIN FRIEDENSPROZESS DEN ANDEREN
: Der Preis der Stabilität

Aus dem Afrika der Großen Seen, jahrelang mit Völkermord, Krieg und Staatszerfall in den Schlagzeilen, dringen plötzlich lauter gute Nachrichten. In Ruanda streckt die Militärführung der im Kongo stationierten Hutu-Milizen die Waffen. In Burundi treten die Hutu-Rebellen in eine Allparteienregierung ein. Im Osten der Demokratischen Republik Kongo mehren sich lokale Versöhnungsprozesse zwischen verfeindeten Gruppen und Milizen.

Nachdem zehn Jahre lang im Herzen Afrikas ein Krieg den anderen genährt hatte, ist nun der umgekehrte Prozess in Gang gekommen: Ein Friedensprozess beflügelt den anderen. Ohne das Kongo-Friedensabkommen von Dezember 2002 und die Amtsübernahme einer Allparteienregierung im vergangenen Sommer hätten die burundischen und ruandischen Milizen, die im Kongo Unterschlupf gefunden hatten und im dortigen Krieg fleißig mitmischten, nicht ihre politischen Gönner im Kongo verloren. Jetzt aber sind sie schutzlos und suchen einen Platz in der Heimat. Ohne die politischen Reformen in Ruanda dieses Jahr, mit neuer Verfassung und Präsidentschafts- und Parlamentswahlen, wäre in Burundi kein Impuls entstanden, den dortigen Friedensprozess weiter zu beschleunigen. Umgekehrt warf Burundis Friedensmodell, das auf der Machtteilung zwischen Hutu und Tutsi basiert und diese Identitäten als maßgeblich für die Ämtervergabe definiert, seinen Schatten auf Ruanda, das zur Überwindung des Genozids die Hutu-Tutsi-Identitäten zu vergessen versucht und in Reaktion auf die Vorgänge in Burundi dieses Politikverständnis dringend in institutionelle Formen gießen musste.

Aber wenn UNO, EU und andere internationale Geber den Frieden in Kongo, Ruanda und Burundi finanziell fördern und militärisch absichern, dürfen sie über die Kehrseite nicht klagen: Die nationale Einheit geht über alles, Opposition findet zunächst nicht statt. Endlich einmal sind sich alle Regierungen im Afrika der Großen Seen einig: Wer sich außerhalb der neuen Staatenordnungen stellt, ist Völkermörder und Kriegsverbrecher. Kein Wunder: Zuerst kamen die Stigmatisierungen von internationaler Seite, als Druckmittel gegen renitente Parteien bei Friedensverhandlungen. Jetzt sind sie verinnerlicht im Selbstverständnis des neuen Kongo, des neuen Ruanda und des neuen Burundi. Alle sollen jetzt an einem Strang ziehen beim Wiederaufbau, Pluralismus muss warten. Das ist ein hoher Preis für Stabilität. Doch höher als der Preis der letzten zehn Jahre – 300.000 Tote in Burundi, eine Million in Ruanda, drei Millionen im Ostkongo – kann er kaum sein. DOMINIC JOHNSON