ORTSTERMIN: HANS LAST AUS BREMEN-SEBALDSBRÜCK BEKOMMT DIE BREMISCHE SENATSMEDAILLE VERLIEHEN
: James und der Wohlfühl-Konsens

Schlange für Hans Last steht an diesem Tage keiner mehr. Das war vorgestern. Da kamen sie schon morgens gegen sechs, um noch zwei der begehrten, kostenlosen 100 Karten zu ergattern. Nicht etwa für ein Konzert in heimeliger Club-Atmosphäre. An diesem Tag wird ja in der traditionsschweren Oberen Rathaushalle zu Bremen ein achtbarer Cellist namens Stephan Schrader musizieren. Nein, sie, die wohl über Jahrzehnte treuen Anhänger – das Wort „Groupie“ verbietet sich in diesem Alter –, sie wollten unbedingt mit dabei sein. Bei der Verleihung der bremischen Senatsmedaille für Kunst und Wissenschaft an den „berühmtesten Bremer aller Zeiten“, wie Bürgermeister Jens Böhrnsen sagen wird. „James Last macht alle glücklich“, hat die Lokalzeitung Weser-Kurier dazu getitelt.

Ohne Frage handelt es sich um ein großes Medienereignis, zumal der Mann aus Bremen-Sebaldsbrück morgen 80 wird. Die Zahl der FotografInnen und Kameraleute draußen erreicht jedenfalls annähernd jene der zugelassenen Fans drinnen. Aber jetzt, wo Last in Florida wohnt, kommt er hier ja nicht mehr so oft vorbei. „Kult bin ich nicht“, hat er mal gesagt. Und Denkmal in Bremen will er auch keines, er, der „große Sohn“ der stolzen Hansestadt. Er wird sich wohl nicht mehr dagegen wehren können. So wenig, wie gegen einen arg Applaus-trächtigen Seitenhieb Böhrnsen auf die Hamburger. Last selbst findet die Stadt heute „ehrlich gesagt ein bisschen klein“.

Lang ist des Bürgermeisters Laudatio auf den Orchesterchef, Bassisten, Produzenten, Arrangeur, Komponisten. Immerhin nennt Böhrnsen ihn nicht „Hansi“, so wie viele seiner ergrauten AnhängerInnen. In allen Einzelheiten werden die Stationen eines langen Musikerlebens referiert, gewürdigt, weniger Tugendhaftes wird diskret übergangen, der Mann zuletzt als anständig, ehrlich, fleißig, großzügig und unprätentiös gelobt. Wie man das in Nachrufen eben so macht.

Von der „Patchworkfamilie“ und den sechs Kindern in der Helmholtzstraße 33 ist dann die Rede, vom ersten Klavierunterricht mitten im Krieg, von der Zigaretten- und Schokoladen-Gage in den Zeiten danach. Vom ersten auf Platte veröffentlichten Jazzkonzert in Deutschland, von 85 ausverkauften Konzerten allein in den ehrwürdigen Royal Albert Hall in London. Von Freddy Quinn, den er groß gemacht, von 80 Millionen Tonträgern, die er verkauft, von 17 Platin- und 206 Gold-Schallplatten, der er dafür erhalten und zumeist in den Keller gehängt hat.

Und so weiter. Zwischendrin fallen Sätze wie: „Es ist nicht einfach, ihre Verdienste und Leistungen angemessen zu würdigen.“ Oder: „Sie sind eben nicht nur der Partykönig, sondern auch tief in die klassische Musik eingetaucht.“ Die Standingovations sind lang anhaltend. James Last sei der „personifizierte musikalische Konsens“, hat jemand zum 75. mal geschrieben.

Als der überhaupteste Bandleader aller Zeiten schließlich höchstselbst die Bühne betritt, entfährt ihm leises, fast unverständliches Nuscheln, das als bremisch verklärt wird. In den hinteren Reihen verstehen sie kaum noch was, als der Altmeister das soeben gehörte in eigenen Worten nochmal erzählt, ergänzt um einige weitere Superlative und eine Episode vom Weserschwimmen. Das stetige Knarzen der Schritte all der Fotografen auf dem Parkett übertönt das übrige, und als die Medaille schließlich feierlich verliehen wird, da hilft auch kein Stehen der Ovationen mehr, um wenigstens noch ein Blick auf IHN zu erhaschen. „Man muss auch teilen können“, ist einer seiner letzten Sätze. Da ist er wieder, der Wohlklang-Kosmos. JAN ZIER