Genosse Pleitgen rüffelt Meckel

Wie WDR-Chef Fritz Pleitgen die Feier zum Start des digitalen Antennen-Fernsehens nutzte, um der rhetorisch wehrlosen NRW-Medienstaatssekretärin Miriam Meckel eine öffentliche Rüge zu erteilen

AUS DÜSSELDORFMARTIN TEIGELER

WDR-Intendant Fritz Pleitgen nutzte gestern im Düsseldorfer Landtag seine ganze Erfahrung als langjähriger ARD-Korrespondent in Moskau. Bei der Feierstunde zum Revier-Start des Digitalen Antennen-Fernsehens legte der Senderchef einen Auftritt hin, der eines sowjetischen Staatschefs würdig gewesen wäre. Eiskalt und grob wie einst UdSSR-Staatschef Leonid Breschnew rüffelte Pleitgen die völlig überrascht und kleinlaut reagierende NRW-Medienstaatssekretärin Miriam Meckel.

Der Fehler der NRW-Politikerin: In ihrer Ansprache anlässlich des Ruhrgebiets-Starts des neuen „Überallfernsehens“ hatte sie vergessen, die öffentlich-rechtlichen und privaten TV-Sender für ihr Engagement bei der Durchsetzung der neuen Technik zu loben. Vor rund 100 Politikern und TV-Leuten hob die Staatssekretärin statt dessen die besondere Rolle der Landespolitik hervor: „Alle Fraktionen haben dem Projekt einen kräftigen Schub gegeben.“ Die Landesanstalt für Medien NRW fördert den DVB-T-Start mit 1,8 Millionen Euro allein in 2004.

Nach Meckel trat der griesgrämig dreinblickende Pleitgen ans Mikrofon. Frau Meckel habe in ihrer Rede etwas durcheinander geworfen, beschwerte sich der WDR-Chef. „Die Politik hat am Anfang keine Rolle gespielt“, reklamierte Pleitgen die Pionierarbeit bei der Vorbereitung des digitalen Antennen-Fernsehens für sich und seine TV-Kollegen. Bevor Meckel reagieren konnte, legte Pleiten in schneidendem Tonfall nach: „Wir haben das in Schwung gebracht.“ Die Politik habe erst später einen „gewissen, netten Segen“ gespendet. Als die gequält lächelnde Meckel mit einem „Ja, aber ich habe doch das wahnsinnige Engagement aller Beteiligten...“ antworten wollte, würgte der Vorsitzende Genosse Pleitgen die Parteilose schroff ab: „Versuchen Sie nicht etwas zu retten, was nicht zu retten ist.“ Wie der Lehrer eine dumme Schülerin belehrte Pleitgen die Uni-Professorin Meckel: „Wir sind als öffentlich-rechtlicher Sender verpflichtet, aufzuklären. Und das habe ich hiermit getan.“ Meckel, die unter ihrer Schminke begann rot zu werden, konterte die Attacke passiv: „Lassen Sie uns über die neue Technik reden.“

Die neue Technik. Mit einem symbolischen Knopfdruck durfte Meckel gestern gemeinsam mit Landtagspräsident Ulrich Schmidt (SPD) das Startzeichen für das neue digitale Antennen-TV im Ruhrgebiet (siehe Infokasten) geben. Im Mai war das „Überallfernsehen“ bereits im Raum Köln/Bonn auf Sendung gegangen. Insgesamt 14 Millionen NRW-Bürger können nun die „Digitenne“ empfangen. Nur die ländlichen Gebiete im Bindestrichland müssen weiter warten – und ab sofort wegen der Abschaltung der Privatsender über die analoge Antenne im Tal der Ahnungslosen ausharren. Nur wenn genug TV-Gucker die neuen Empfangsgeräte kaufen, werden die Antennen-Zuschauer in Ostwestfalen und dem Münsterland nicht mehr im „Digi-Tal“ sitzen. „Wichtig ist, dass wir dieses Angebot allen Rundfunkgebührenzahlern in NRW machen können“, forderte Oliver Keymis, medienpolitischer Sprecher der grünen Landtagsfraktion.

WDR-Intendant Fritz Pleitgen – nach seiner Attacke gegen Meckel auffällig gut gelaunt – warb ebenfalls für eine flächendeckende Versorgung. „Wir haben die große Sorge, dass viele Menschen im Finsteren sitzen, wenn wir die analoge Technik jetzt abschalten“, so Pleitgen. „Wir haben Gebührenzahler, die wir nicht außen vor lassen sollten.“ Ein letztes Mal geriet Medien-Staatssekretärin Meckel in die Defensive. Sie vertröstete die ländlichen Gebührenzahler und sagte, eine vollständige Abdeckung auch der ländlichen Gebiete würde erhebliche zusätzliche Kosten verursachen.