Kein Boom, nirgends

Obwohl Potsdams Fußballerinnen siegen, ist die Laune im Team mies. Von Euphorie nach der WM fehlt jede Spur

Wer den Trainer des FFC Turbine Potsdam kennt, wird sich am Sonntagvormittag verwundert die Augen gerieben haben. Bernd Schröder ist bekannt für seine cholerischen Anfälle an der Seitenauslinie. Da können seine Spielerinnen noch so hoch führen – Schröder brüllt. Der Perfektionist wird wohl so lange schreien, bei seine Potsdamerinnen in der Frauen-Bundesliga endlich den Serienmeister aus Frankfurt hinter sich gelassen haben. Doch gestern blieb er ruhig, obwohl seine Frauen das schlechteste Spiel seit Jahren ablieferte.

Gegen den Tabellenletzten FC Saarbrücken, der in dieser Saison in fünf Spielen 39 Tore kassiert hat, mühten sich die Vizemeisterinnen zu einem mageren 1:0. Trainer Schröder saß fassungslos an der Seitenlinie, winkte schon nach 15 Minuten entnervt ab und ließ seine Spielerinnen in Ruhe. Erst nach dem Spiel lief er mit einer Bemerkung über die Vorbereitung seiner Kickerinnen wieder zu Schröder’scher Normalform auf: „Das mag ja sein, dass die Spielerinnen viel im Solarium waren und jetzt schön braun sind, aber so kann man nicht an so ein Spiel herangehen.“ Sprach’s und sein ohnehin immer etwas miesepetriger Blick wurde noch finsterer.

Immerhin haben die Potsdamerinnen das Spiel durch ein Tor von Nationalspielerin Viola Odebrecht gewonnen und stehen nach wie vor verlustpunktfrei an der Tabellenspitze, von Frauenfußballeuphorie aber war nichts zu spüren. Die Weltmeisterinnen im Team hätten nach der Begegnung am liebsten gar nichts gesagt. Stürmerin Conny Pohlers hatte keine Erklärung für ihre schlechte Leistung. „Hoffentlich kommen beim nächsten Heimspiel die Leute wieder“, sagte sie und spielte auf die enttäuschten Reaktionen der knapp 600 Zuschauer im Stadion an.

Schlechte Stimmung herrschte in der Geschäftsstelle des Clubs bereits unter der Woche. Die Clubführung war mit der Meldung an die Öffentlichkeit gegangen, dass der Etat für diese Saison erhebliche Deckungslücken aufweise. „Die Wirtschaft hat in der Breite die Werbewirksamkeit des Frauenfußballs noch nicht erkannt“, meint dazu Vorstandsmitglied Matthias Munke, der als Chef des Fördervereins Turbineclub für das Sponsoring zuständig ist.

Vom Fußballboom nach dem WM-Sieg ist also herzlich wenig zu spüren in der Landeshauptstadt. Das letzte Saisonspiel der vergangenen Meisterschaftsrunde, bei dem es vor 8.000 Zuschauern beinahe gelungen wäre, den Frankfurtern den Meistertitel zu entreißen, habe da viel mehr gebracht, so Munke. Das habe die regionalen Sponsoren an den Verein gebunden.

Eine existentielle Bedrohung wollte Munke noch nicht feststellen. Er wünscht sich endlich einmal das Erreichen des Pokalfinales, dem die Potsdamer schon seit Jahren hinterher laufen. Etliche Sponsoren hätten für diesen Fall schon angekündigt, ihr Engagement zu erhöhen.

Immerhin gibt es schon für die Viertel- und Halbfinalspiele Fernsehgelder und so hofft Munke, dass sich die Clubkasse im Verlauf der Saison noch erholen wird. ANDREAS RÜTTENAUER