Gelungene Infiltration

Im Bremer Theater fiel die Mauer schon vor zehn Jahren – mit Antritt des Intendanten Klaus Pierwoß

Bremen taz ■ Die Mauer haben sie im Bremer Schauspielhaus im vergangenen Jahr wieder aufgebaut, pünktlich zum 9. November. Natürlich nur zum Spaß, und auf der Bühne, aber das Bemerkenswerte war ja, dass die sarkastische Erinnerung nirgends besser hätte funktionieren können als ausgerechnet hier, in Bremen.

„Familienschlager“ hieß der „gesamtdeutsche Liederabend“, der da Premiere hatte. Und die neue-alte innerdeutsche Grenze verlief, gewehrgeschützt und vorurteilsvermint zwischen den Wohnzimmmern der Familien Ost- und Westheimer. Das alles streng paritätisch besetzt – naja, sofern das bei neun Akteuren möglich ist – aber eben nicht so, dass Wessis Wessis spielen und Ossis Ossis und auch nicht stumpf umgekehrt, sondern filigran feinsinnig durchmischt.

Die Revue, die ab Dezember wieder im Spielplan steht, war damit nicht nur ein ironischer Kommentar der Welt- sondern auch der eigenen Ensemble-Geschichte. Denn „irgendwann“, so sagt Chefdramaturg Joachim Klement, „galten wir mal als die östlichste Bühne Deutschlands.“ Mental-östlich natürlich, weil geografisch wird das mit Bremen einfach nichts, das rutscht nicht weiter Richtung Oder oder wenigstens Elbe, Gott sei’s geklagt.

Das ist natürlich eine Frage des Ensembles. Dessen west-östliche Prägung stammt aus der Zeit von vor ziemlich genau zehn Jahren. Als Generalintendant Klaus Pierwoß von der Dramaturgie des Berliner Gorki-Theaters an die Weser wechselte nahm er etliche Schauspieler aus der Hauptstadt einfach mit. Gab das nicht Anpassungsprobleme? Alleine in den Westen zu gehen, davor hätte sie Angst gehabt, erinnert sich Gabriela Maria Schmeide, aber die Frage stellte sich ja gar nicht: Mit Antritt Pierwoß war der Anteil Ostdeutscher im Ensemble auf rund Dreiviertel geschnellt. „Eher hatten die paar, die aus dem Westen kamen, Schwierigkeiten mit dieser Welle umzugehen“, so Schmeide. „Das war eine große Energie in dieser Anfangsphase“.

Die hat sich gehalten. Nicht nur, dass verhältnissmäßig viele aus dieser Zeit einfach da geblieben sind. Immer wieder holte die Schauspielleitung auch ihren Nachwuchs aus Berlin. Von der Schauspielschule Ernst Busch, die, so Klement, „nach wie vor eine der ersten in Deutschland“ sei. „Wir haben ein starkes Ensemble“, sagt er auch, dass würde auch von den Gastregisseuren „immer wieder bestätigt, dass es intern große Solidarität im Umgang miteinander“ gebe.

Was ja nicht nur an der Ausbildung liegen kann. Pierwoß, sagt Schmeide, habe einfach eine „Affinität zu der Ost-Mentalität“.

benno Schirrmeister