Radikal in die Zukunft

Klaus Wowereit im taz-Interview: Ein Orchester ade, es gibt weniger Lehrer und mehr Sparauflagen. Kopftücher im Klassenzimmer sind ideologisch. Doch gegen alles hilft der Schröder’sche Reformkurs

VON ROBIN ALEXANDER
UND ROLF LAUTENSCHLÄGER

Die Landesregierung will nach dem Urteil des Verfassungsgerichts die Sparschlinge noch enger ziehen. Nach Ansicht des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) wird Berlin gezwungen sein, für 2006 geplante Absenkungen schon jetzt vorzuziehen. Keine Chance nach der Gerichtsentscheidung gibt Wowereit den Berliner Symphonikern, außerdem sollen statt 520 nur noch 150 neue Lehrer eingestellt werden. „Wir befinden uns in einem Nothaushalt, wo nur unausweichliche Ausgaben getätigt werden müssen. Das ist eine konkrete Folge des Urteils“, sagte Wowereit der taz. Zugleich sprach sich der Chef der rot-roten Regierung erneut für finanzielle Hilfe für Berlin von Bund und Ländern aus. Es sei zwar richtig, dass alle Länder und Kommunen in einer wirtschaftlichen Misere steckten. Berlin befinde sich aber in einer „besonders prekären Situation“ mit „exorbitant hohen Schulden“. Bund und Länder müssten gemeinsam helfen, diese wieder „auf ein erträgliches Maß zu reduzieren“.

In der Debatte über das Verbot von Kopftüchern im öffentlichen Dienst stellt sich Wowereit hinter seinen Innensenator Ehrhart Körting, der Frauen das Tragen verbieten will. Eine endgültige Entscheidung sei zwar noch nicht gefallen, sagte der Regierende. Dennoch müssten etwa türkische Lehrerinnen oder Polizistinnen sich im Dienst wie ihre deutschen Kolleginnen verhalten. Wowereit: „Das Kopftuch ist nicht nur eine modische Erscheinung. Dahinter steckt eine Weltanschauung.“ Es sei wichtig, in Schulen und staatlichen Bereichen „die weltanschauliche Neutralität“ zu erhalten. Ausländische Mitbürger müssten in „unsere Kultur integriert werden“.

Wowereit sprach sich nachhaltig für den Reformkurs von Bundeskanzler Gerhard Schröder aus. Dies sei der richtige Weg, die Republik und Gesellschaft wieder voranzubringen. Der Kanzler mute dem Land derzeit viel zu. „Aber die Wirklichkeit zwingt dazu. Wir müssen uns den Herausforderungen der Zukunft stellen.“ Dies sei schwierig, denn Menschen wollten oft keine Veränderung haben. Dennoch komme man „um radikale Schnitte nicht mehr herum“.

Wowereit warnte schließlich seine politischen Gegner in der CDU vor leichtfertigen Urteilen zu seiner Person. „Die Opposition überzeichnet immer, und hier in Berlin gehört die schnelle, billige und populistische Diffamierung leider zum Alltag.“

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