Wo waren Sie, als die Mauer fiel?
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Schon Tage zuvor saßen wir fast nur noch vor dem Fernseher, platzten fast vor Spannung, und alle Sinne signalisierten, dass es nur noch eine Frage der Zeit wäre, dass etwas mit den Flüchtlingen in den Botschaften, in Ungarn, den Grenzen, der Mauer, mit der DDR passieren musste. „Die alten Männer tanzen nicht mehr“, sang „Silly“ und Schabowski gab lapidar die Öffnung der Mauer bekannt. In dieser Nacht blieb ich vielleicht als Einzige zu Hause, so kam es mir jedenfalls vor. Mein Kind schlief, verschlief die erste Nacht im wiedervereinten Deutschland, und ich hatte auf einmal viel Zeit. „Immer langsam mit dem Westen“, dachte ich. Ihn wollte ich wie ein besonders schönes Geschenk langsam und alleine auswickeln. Und so kam es, dass ich zu Fuß erst am 10. November im Westen ankam. MINE BETRAND, BERLIN

Nachts um 1 Uhr rief meine Schwiegermutter aus USA an und sagt: Die Mauer ist offen. Dann morgens auf dem Weg zur Arbeit in Kreuzberg bin ich mit einer Flasche Sekt zur Oberbaumbrücke gegangen und habe auf das unglaublich Wahre mit ein paar Leuten angestoßen. Später habe ich mich mit ihnen am Ku’damm getroffen und wir sind von einem euphorischen Inhaber einer griechischen Gaststätte auf Kosten des Hauses bewirtet worden.

WILLI FUCHS, BERLIN

Vermutlich war ich zu Hause, in Potsdam, oder auf der Abendschule, um mein Abi nachzuholen. Erstmal dachte ich: Wurde ja langsam Zeit. Dann war ich peinlich berührt, wie die ganzen Ossis wie halb Verhungerte in den Westen gestürzt sind. Ich entschloss mich, erst mal die Masseninvasion in West-Berlin abzuwarten und dann einige Wochen später den Kurfürstendamm zu besuchen. Da war ich dann abgeschreckt und ekelerregt. Sowohl von den vielen herumliegenden Getränkedosen als auch von den überbordenden Schaufenstern.

ANDRÉ VERSUEMER, LÜNEBURG