Drohungen gegen Ausländer in Afghanistan

Unbekannte verüben einen Anschlag auf ein Nobelhotel in Kabul. Der Süden und der Osten werden immer unsicherer

KABUL taz ■ Auf das nobelste und hauptsächlich von Ausländern genutzte Hotel der afghanischen Hauptstadt ist am Samstagabend ein Anschlag verübt worden. Gegen 19.30 Uhr erschütterte eine schwere Explosion die Rückseite des Hotel Intercontinental und riss ein zwei mal zwei Meter großes Loch in eine Gartenmauer unterhalb des Gebäudes. Fast alle nach Südosten gerichteten Fensterscheiben gingen zu Bruch.

„Zum Glück entstand nur Sachschaden, es gab keine Verletzten“, sagte der deutsche Sprecher der internationalen Friedenstruppe Isaf, Jörg Langer, der taz. Es sei noch unklar, ob es eine Rakete oder ein Sprengsatz war. Zu möglichen Tätern wollte er sich nicht äußern. „Die Situation in Kabul ist trotz des Anschlags ruhig, aber nicht stabil“, so Langer. Neue Anschläge könnten trotz der 5.000-köpfigen Friedenstruppe aber nicht ausgeschlossen werden.

In dem Hotel wohnen vor allem ausländische Geschäftsleute und Journalisten, aber auch Berater der Regierung. In einer an deutsche Organisationen in Kabul verschickten E-Mail warnt die deutsche Botschaft vor Anschlägen auf Ausländer. Für die nächsten Tage, in denen das Ende des Fastenmonats Ramadan gefeiert werde, gebe es „unspezifische Warnhinweise“.

Seit dem Sturz der Taliban vor zwei Jahren gab es in Kabul immer wieder Anschläge. Meist waren es dilettantisch abgefeuerte Raketen, die keine Opfer forderten und keine größeren Schäden anrichteten. Es gab aber auch bereits schwere Selbstmordanschläge mit zahlreichen Toten wie auf einen Bundeswehrkonvoi im Juni. Seitdem schützen sich UN-Einrichtungen und ausländische Botschaften mit Barrieren vor den Außenmauern vor möglichen Autobomben.

Trotzdem ist der Wiederaufbau in Kabul unübersehbar. Überall wird gebaut, die Märkte sind voll, es gibt neue Geschäfte. Auch in der nördlich gelegenen und einst fruchtbaren Schomali-Ebene, die im Krieg schwer zerstört und vermint wurde, ist der Aufbau zu sehen. Bauern bewirtschaften wieder Felder und reparieren ihre Häuser.

Beunruhigend am Anschlag in Kabul ist, dass er mit einer Verschlechterung der Sicherheitslage im Süden und Osten des Landes einhergeht. Seit August sind dort mehr als 370 Menschen, darunter Zivilisten, mutmaßliche Taliban, Regierungssoldaten, Angehörige der internationalen Antiterrorkoalition und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen bei Kämpfen und Anschlägen ums Leben gekommen. Erst vorvergangenen Sonntag war eine UN-Mitarbeiterin erschossen worden. „Die neue Taktik der Taliban ist das Entführen und Einschüchtern von Ausländern“, sagte der stellvertretende Innenminister Helaluddin Helal der taz am Morgen vor dem Anschlag in Kabul.

Die Taliban hätten sich in Pakistan reorganisiert. Verantwortlich dafür seien dort „hochrangige Personen“, so Helal, der internationale Hilfe zur Grenzsicherung fordert. Erst kürzlich kursierten in Afghanistan Drohungen, in denen Hilfsorganisationen und ausländische Journalisten zu Zielen erklärt wurden. „Die Taliban versuchen Afghanistan zu destabilisieren“, meint Helal. Eine Teilung des Landes zwischen relativ sicheren und sehr unsicheren Gebieten könnten sie bald erreicht haben.

SVEN HANSEN

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