Wendländisches Tagebuch (8): 9.11.2004
: Ein riesengroßer Spuk

Der Castor-Transport ist im Endlager Gorleben angekommen. Stille kehrt ein im Wendland. Alle sind müde und kaputt, auch Familie Zitterbart aus Gedelitz

Ich war heute die ganze Nacht mit Greenpeace unterwegs. Die haben den Förderturm des Endlagers besetzt. Das war ein echt beeindruckendes Erlebnis. Wie die so an die Sache rangehen – Hut ab, gerade bei den jungen Leuten. Das fand ich unheimlich toll.

Ich hab erlebt, dass die Presse bei der Greenpeace-Aktion massiv behindert worden ist. Der Polizei gefällt das natürlich nicht, weil sie praktisch übertölpelt worden ist. Bei so einer Aktion geht es ja um die Bilder. Aber es ist schon ein absolutes Unding, wenn die Polizeiführung verhindern will, dass die Bilder in die Öffentlichkeit gelangen. Das geht nicht.

Es ist wieder viel Porzellan zerschlagen worden. Und es bleibt was zurück von dem, was man da erlebt hat. Sollte es im nächsten Jahr wieder zu einem Castor-Transport kommen – und davon gehen wir hier ja alle aus – dann geht man ganz anders an die Sache ran. Gerade wenn man nicht zum ersten Mal dabei war. Es ist schwierig zu erklären, aber man fängt eben nicht mehr bei null an.

Es wird immer viel Verständnis verlangt von den Leuten hier draußen. Aber auf der anderen Seite muss die Polizeiführung auch mehr Verantwortung übernehmen. Das hier ist eine unmögliche politische Lage. Wenn sich die Polizei schon zwischen die Fronten stellen muss, dann muss sie wenigstens sagen, dass der Zustand im Grunde absolut unmöglich ist.

Jetzt, wo es wieder vorbei ist, hinterlässt es ein sehr eigenartiges Gefühl. Alle sind müde und kaputt. Es gibt eine unheimliche Stille hier im Landkreis. Das riesige Polizeiaufgebot ist wie nach einem Fingerschnipp verschwunden. Das ganze war wieder ein riesengroßer Spuk.

Wichtig ist mir der Blick auf die eigentlichen Dinge. Die Frage, warum das so ist, wie es eben ist. Das Ganze ist ja keine Sportveranstaltung, auch wenn es in der Presse oft so rüberkommt. Das Endlager in Gorleben ist schlicht und einfach völlig ungeeignet für den Zweck. Aber es geht auch darum, welche Zustände die Castor-Transporte hervorrufen. Und so, wie das all die Jahre die immer gelaufen ist, fordert es so einen unrühmlichen Höhepunkt wie jetzt den Tod des französischen Jungen geradezu heraus.Protokoll: Jan Zier