Gegenleistung für die Gemeinschaft

Betr.: „Menschenunwürdige 1-Euro-Jobs“, taz bremen vom 3.11.2004

Die Mär von der „Menschenunwürdigkeit“ der so genannten „Ein-Euro-Jobs“, wie sie jüngst vom Bremer Sozialgipfel proklamiert worden war und die nun durch Leserbriefe geistert, geht mir auf die Nerven. Stellen wir doch mal ein paar Fakten fest: EmpfängerInnen von Sozialhilfe oder zukünftig Arbeitslosengeld 2 (ALG II) erhalten Geld, das ihnen laut unserer Verfassung zusteht, weil in unserem Land niemand mittellos dastehen soll. Das ist gut so, weil unsere Gemeinschaft (der überwiegend Besitzenden) auch für jene verantwortlich ist, die nichts haben – vor allem kein Einkommen; das nennt man Sozialverpflichtung des Eigentums. Für diese Leistungen erbringen die EmpfängerInnen keine Gegenleistung außer der, dass sie entsprechende Anträge ausfüllen müssen. Sie haben ja keinen Job. Auch o.k. Nun sollen diese EmpfängerInnen verpflichtet werden, für eben dieses Geld, welches sie ohne Gegenleistung erhalten, zu arbeiten: ALG-II-EmpfängerInnen sollen für das Geld arbeiten, was sie (bislang sozusagen gratis) von der Gemeinschaft erhalten. Das ist logisch. Die Verantwortung der Gemeinschaft für die Einzelnen geht schließlich mit der Verantwortung der Einzelnen für die Gemeinschaft einher. Nun legt die Gemeinschaft auf den Lohn für diese eingeforderte Arbeitsleitung noch jeweils einen Euro pro Stunde drauf. Sicherlich ist das immer noch kein königliches Gehalt und löst noch kein grundsätzliches Problem. Wenn dieses Prinzip aber „menschenunwürdig“ sein soll, dann wäre auch logischer Weise jedes Arbeiten für Geld menschenunwürdig – dann wäre unser ganzes Land menschenunwürdig. Habe ich was verpasst, oder leben wir hier immer noch in Deutschland? Roland Bösker (z.Z. arbeitslos), Bremen