Wir lassen uns die Kohle was kosten

Grüne bemängeln Finanzzusage des Kanzlers für den deutschen Steinkohlebergbau. Die 16 Milliarden Euro für die Zeit 2006 bis 2012 müssen reduziert werden, fordert Umweltminister Jürgen Trittin – und wehrt sich gegen parteiinterne Vorwürfe

aus Berlin HANNES KOCH

3.300 junge Menschen will der Bergbaukonzern RAG unter die Erde bringen. Ab 2006 plant die Zechenfirma neue Bergleute einzustellen, um die deutsche Steinkohleindustrie am Leben zu erhalten. RAG-Vorstand Werner Müller, Bundeswirtschaftsminister bis 2002, weiß auch schon, mit welchem Geld: Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat 16 Milliarden Euro staatliche Hilfen für die Zeit zwischen 2006 und 2012 zugesagt. Die lebenserhaltenden Infusionen für die sterbende deutsche Steinkohleförderung haben massive Kritik der Grünen hervorgerufen.

„Es gibt Fragen an die SPD“, sagte gestern Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) der taz. Heute will er Antworten vom Koalitionspartner hören. Zum Gespräch über das Kohleproblem treffen sich unter anderem Trittin, der grüne Fraktionsvize im Bundestag Reinhard Loske, Kanzleramtschef Walter Steinmeier (SPD), RAG-Chef Müller und ein Vertreter von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD). Trittin argumentiert, dass die Subventionen für die Steinkohle nicht stark genug reduziert würden. Im Vergleich zur bereits geplanten Verringerung der Arbeitsplätze und der Fördermenge sei die Minderung der Finanzhilfen „nicht proportional“, so Trittin.

Während die Menge der geförderten Kohle zwischen 2005 und 2012 von rund 26 Millionen Tonnen pro Jahr auf 16 Millionen, also um 38 Prozent, sinken soll, wird die Subvention laut Kanzlerzusage nur um 35 Prozent abnehmen. „Dafür muss eine Erklärung auf den Tisch“, so Trittin. Bisher ist die Steinkohlefinanzierung bis 2005 festgeschrieben – dann soll sie 2,7 Milliarden Euro jährlich betragen. Nach Schröders Plan würden es 2012 noch gut 2 Milliarden sein. Trotz der öffentlichen Festlegung des Bundeskanzlers meint der Umweltminister, Verhandlungsspielraum zu haben. Manche Grüne vermuten freilich, den Grund für die höheren Subventionen schon zu kennen: Um in den vergangenen Jahren notwendige Einsparungen im Haushalt des Bundeswirtschaftsministers erzielen zu können, sei nicht die volle Unterstützung an die RAG geflossen. Das Unternehmen habe dem Wirtschaftsminister quasi einen Kredit über 1 Milliarde Euro gewährt. Dieser müsse nun beglichen werden, was zu den höheren Finanzhilfen führe.

Die Grünen rangeln aber nicht nur mit der SPD, sondern befehden sich auch gegenseitig. Fraktionsvize Loske hat das Kohlethema für heute auf die Tagesordnungen von Fraktion und Parteirat gesetzt. In einem Brief, der der taz vorliegt, lässt er anklingen, Umweltminister Trittin habe der SPD möglicherweise freie Hand in Sachen Kohle gegeben, um die Zustimmung der Sozialdemokraten zur neu gefassten Wind- und Solarförderung zu erhalten.

Trittin weist die Unterstellung in mildem Ton zurück: Es gebe keinen Anlass für eine Verstimmung. Reinhard Loske geht davon aus, dass heute eine Arbeitsgruppe der Regierungsfraktionen eingesetzt wird, um das Subventionsproblem zu lösen.