Die sind halt so

Als die Ossis uns die Arbeit raubten: Die Stammredaktion der taz assistierte bei der Produktion der gestrigen „Ossi-taz“ – mit Tee und verhaltener Kritik

VON STEFAN KUZMANY

Es ist ja nicht so, dass wir hier sonst keine Ostdeutschen hätten. Aber viele sind es nicht. Und die wenigen müssen sich oft lustig Gemeintes anhören – so wie Technikchef Jörg Kohn vorgestern, als er den Gästen aus dem Osten bei der Produktion der „Ossi-taz“ beistehen sollte. „Deine Artgenossen sind schon alle da“, begrüßte ihn ein Kollege, und Kohn ärgerte sich: „Was hat der fünfzehn Jahre nach der Maueröffnung noch für ein Problem?“

Tatsächlich gab es wenige Probleme, als am Montag 50 Journalisten, Künstler und Politiker mit ostdeutscher Biografie in die Berliner Kochstraße kamen, um die taz zu machen. Die Gastredaktion hatte sich bereits Wochen im Voraus über das Internet und in vorgezogenen Redaktionskonferenzen darüber verständigt, was in der Zeitung stehen sollte, und hatte offenbar so umfassend diskutiert und auseinander gesetzt, dass am Montag nichts mehr zu besprechen war. Wer erwartet hatte, dass sich die Ostler auf der Redaktionskonferenz über Identität und Politik stritten, wurde enttäuscht. Ruhig ging es zu, fast schon brav. taz-Autor Helmut Höge wunderte sich darüber, dass den Ostlern exakt dieselben Dinge wichtig zu sein scheinen wie den Westlern: „Falludscha war für die das große Thema.“ Also kaum Unterschiede, alles schon zusammengewachsen, alles gut?

Zwar kaum Unterschiede, aber das war nicht gut. Es scheint, als sei gerade die Abwesenheit von Differenz, die Normalität, das gewesen, was die Stammbelegschaft der taz ernüchterte. „Es gab Stress, aber es war langweiliger Stress“, fasst Dirk Knipphals, Ressortleiter der taz-Kultur, zusammen, was in seiner Abteilung zu erleben war. Die Gäste arbeiteten überaus professionell und konzentriert: „Die Produktion war sensationell, wir können die Redaktion sofort austauschen“, resümiert Technik-Chef Kohn, und auch Beate Willms aus der Wirtschaftsredaktion lobt: „Unglaublich diszipliniert waren die. Es gab keinen Streit.“

Das sind die tazler nicht gewöhnt. Und so gesellte sich zum Lob vielfach auch Spott ob der mangelnden Kampfeslust der Ostdeutschen. Sportredakteur Frank Ketterer bemerkt süffisant: „Wenn man die Ossis anleitet, dann können die das schon.“ Ein „Besserwessi“-Vorurteil? Mag sein. Schwerpunktredakteur Robin Alexander hingegen sieht die Vorstellungen seiner Wanne-Eickeler Verwandtschaft bestätigt: „Die sind hierarchisch, eingeschränkt konfliktfähig und die Jüngeren allesamt PDS-Funktionäre. Kein Wunder: Außer denen will doch keiner mehr die olle Ost-Identität hochhalten.“

Mit der Parolen-Schlagzeile „Arbeite – wer kann!“ konnte sich bei den Wessis kaum jemand anfreunden, aber zaghafte Hinweise fanden beim Interims-Chefredakteur Wolfgang Schütze kein Gehör. Auch der Vorschlag, die Zeitung in Anlehnung an das Ost-Leitmedium SuperIllu für einen Tag „Super-taz“ zu nennen, wurde nicht goutiert.

Abends, beim Radeberger Bier im Dachkonferenzraum der taz, gab es vorsichtige Versuche der Verbrüderung – und wieder viel lustig Gemeintes. „Hier nicht setzen, das ist der West-Tisch“, versuchte sich der Autor dieses Textes an einem Scherz, und der Kollege André Spangenberg von ddp, der diese Aufforderung glücklicherweise überhört hatte, erfreute die Runde mit dem lustigen Ossi-Gruß: die ausgestreckte Rechte mit abgespreizten fünf Fingern. Erklärung: „Ich komme aus den fünf neuen Bundesländern und mache keinen Finger krumm.“ Es wurde viel gelacht.

Ganz ohne Ironie begeistert zeigte sich die taz-Korrekturabteilung: Die KollegInnen aus dem Osten, so sagt es Korrektor Matthias Fink, „machen viel weniger Fehler, benützen nicht so komische Verkürzungen und haben eine schönere Sprache“.