Atomvertrag nur ein wenig gekündigt

Bundesregierung versendet diplomatische Note an Brasilien. SPD-Fraktion kann sich nicht zu Präzisierung durch einen Bundestagsantrag durchringen. Grüne begrüßen Note und fordern Verzicht auf Hermesbürgschaften für Atomtechnik

AUS BERLIN MATTHIAS URBACH

„Das deutsch-brasilianische Regierungsabkommen über Zusammenarbeit auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie vom 9. Februar 1975 ist seit vielen Jahren nicht mehr zeitgemäß.“ So beginnt eine kurze diplomatische Note, mit der die Bundesregierung in blumigen Worten ihren Atomvertrag mit Brasilien kündigen möchte. Die Note, die der taz vorliegt, wurde am vergangenen Freitag im Kabinett auf Arbeitsebene abgestimmt und ging noch am selben Tag an Brasilien.

Weiter heißt es darin: „Deutschland begrüßt daher nachdrücklich, dass das Abkommen vom 9. Februar 1975 nunmehr durch ein Abkommen zur Zusammenarbeit im Energiesektor unter besonderer Berücksichtigung der erneuerbaren Energien ersetzt wird und Verhandlungen hierzu unverzüglich aufgenommen werden sollen.“ Noch ist unklar, wie Brasilien darauf reagiert, doch die grüne Fraktion gibt sich zufrieden. „Wir betrachten das als eine diplomatisch in Watte gepackte, aber faktische Kündigung des Vertrages“, erklärte Fraktionsvize Reinhard Loske der taz.

Damit ließen die Fraktionen von SPD und Grünen von ihrer ursprünglichen Absicht ab, in einem Bundestagsantrag die Kündigung explizit zu verlangen. Zwar hätten es einige Grüne wohl lieber gesehen, aber die SPD wollte es nun nicht mehr verfolgen, mit dem Argument, dass die Regierung ja nun tue, was man von ihr wolle.

Weniger beeindruckt ist Barbara Hoppe vom Entwicklungsverband Urgewald. „Die Versendung einer Note, deren Verbindlichkeit unklar ist, reicht nicht, um künftige Kooperationen zwischen Deutschland und Brasilien im Atombereich definitiv auszuschließen.“ Hoppe hätte eine „Präzisierung“ durch einen Bundestagsbeschluss lieber gesehen. Tatsächlich sind auch bei den Grünen unter der Hand nicht alle begeistert von der Vagheit der diplomatischen Sprache – aber überwiegend wird die Note als „starkes Signal“ gewertet.

Die Präzisierung im Bundestag scheiterte vor allem an den Wirtschaftspolitikern der SPD-Fraktion. Sie wollen – im Einklang mit dem Wirtschaftsministerium – der deutschen Kernenergiewirtschaft ihre Ausfuhrchancen nicht verderben. Auch halten sie daran fest, Hermesbürgschaften zumindest für sicherheitstechnische Nachrüstungen von AKWs im Ausland zu gewähren. Die Grünen sowie Umweltpolitiker der SPD sehen hingegen angesichts des nationalen Atomausstieges nicht ein, warum der Staat solche Nachrüstungen steuerlich fördern soll – und hatten dies im Antragsentwurf hineingeschrieben. Aber auch das Kanzleramt hatte Sorgen, wollte es doch die strategische Partnerschaft mit Brasilien in der Weltpolitik nicht belasten.

Der Umgang mit dem Brasilienvertrag hat hohe Bedeutung, weil es noch zwei Dutzend weitere bilaterale Atomverträge gibt. Zehn davon haben einen ganz ähnlichen Charakter wie der mit Brasilien, dienen also dazu, den Ausbau der Kernkraft mittels deutscher Technologie voranzutreiben. Solche Verträge gibt es etwa mit Ägypten, China, Indien, Indonesien, Iran und Südkorea. Trotz des Atomausstieges wurde bislang keiner dieser Verträge gekündigt. Die Fraktionen von SPD und Grünen haben inzwischen Aufklärung über die Zahl und den Inhalt aller Verträge vom Auswärtigen Amt verlangt.