schröders spd
: Mobbing von unten

In der SPD-Zentrale denkt jemand in Alternativen. Auf einem Wahlzettel stand plötzlich neben dem Namen von Generalsekretär Olaf Scholz ein weiterer – Sigmar Gabriel, der als SPD-Fraktionsvorsitzender in Niedersachsen nicht recht ausgelastet ist. Die SPD versucht natürlich, den Schaden zu begrenzen: Der Wahlzettel, offiziell ein „Entwurf“, sei gar nicht mitgenommen worden zum Parteitag nach Bochum. Und überhaupt habe nur ein Mitarbeiter „unbedacht“ gehandelt. Dennoch, das ist bitter für die SPD-Spitze, regt selbst ein schlichter „Entwurf“ von einem schlichten „Unbedachten“ allseits die Fantasien an.

KOMMENTARVON ULRIKE HERRMANN

Denn der obskure Wahlzettel passt geradezu genial zur aktuellen SPD. Er imitiert sozusagen basisdemokratisch, was sonst eine der strategischen Lieblingsoptionen des Kanzlers ist: Regierungspolitik auf Personalpolitik zu reduzieren – genauer auf Personalentsorgungspolitik.

Besonders in Krisenzeiten waren bei Schröder die Richtlinienkompetenz und das Mobben oft nicht mehr zu unterscheiden. Man erinnere sich an Finanzminister Lafontaine, die BSE-Panik mit dem Doppelrücktritt von Gesundheitsministerin Fischer und Landwirtschaftsminister Funke oder an SPD-Bundesgeschäftsführer Machnig, der an allen Schwierigkeiten im letzten Bundestagswahlkampf ganz allein schuld gewesen sein soll.

Wie bei den früheren Mobbingattacken ist die SPD nun erneut in der Krise. Die Mitglieder verstehen nicht, was an den Sozialreformen der Agenda 2010 noch sozialdemokratisch sein soll. Bei Umfragen kommt die Partei momentan auf etwa 27 Prozent, und es stehen die nächsten Landtagswahlen und die Europawahl an. Eigentlich wäre es an der Zeit, dass Kanzler Schröder wieder einen Sündenbock benennt. Doch inzwischen fehlt ihm das Personal, um unehrenhaft zu entlassen. Die Mannschaft steht, muss stehen. Sie ist für Schröder ohne Alternative – wie angeblich seine gesamte Politik.

Von oben dürfte also nicht mehr gemobbt werden, aber die krisengenervte Basis könnte das Mobben von unten entdecken. Der Wahlzettel war zwar nur ein „Entwurf“ und wird es auch bleiben, schließlich ist der SPD-Vorstand nun für zwei Jahre gewählt. Aber Formalien haben Parteimobber noch nie gehindert. Sie müssen nur glauben, eine irgendwie geeignete Personalalternative zu haben. Genau daran erinnert der obskure Wahlzettel, auf dem zwei Namen standen.

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