Hach auch

Neulich beim Bäcker im Viertel. Brötchen leuchten, Brot duftet, die Verkäuferin hat zu tun. Drei Kunden warten, ich auch, noch eine Kundin kommt, dann noch eine. Eine Warteschlange, von rechts bitte, gibt es nicht. Im Viertel mag man es eben anarchisch, und sei es nur beim Bäcker. Eins weiter steht jetzt eine Frau dieses Quartiers, Po rein, Brust raus, ganz sie selbst, einfach schön, von innen heraus. Beguckt die Brötchen, den Kirschstreusel, fährt sich mit der Zunge über die Lippen und wird gewiss die Gunst ihrer Größe nutzen und sich vordrängeln. Aber – nicht hier, nicht heute, nicht jetzt und schon gar nicht mit mir. Erst ich. Die Verkäuferin ist noch am andern Ende unterwegs, wirft Brötchen in Tüten, wickelt Laibe in Papier, schaufelt Bienenstich auf Pappe. Ich indes pumpe wie ein Maikäfer, übe ein patziges „Erst ich“, finde das wenig altruistisch und säusele im Geiste ein freundlich-schneidendes „Entschuldigung, aber Sie waren noch gar nicht dran.“ Die Brötchen purzeln, die Verkäuferin wirbelt, der Adrenalinspiegel steigt, der Moment der Entscheidung naht, die Verkäuferin auch. Sie blickt uns an. Sieht zu mir, dann zu meiner Nebenfrau. Ich wachse noch rasch zwei Millimeter, ich hole tief Luft, ich öffne den Mund – da sagt das Wesen neben mir: „Bitte, Sie waren doch zuerst dran.“

Draußen leuchtet ein Sonnenstrahl auf den nassen Asphalt. Alles wird gut.

Susanne Gieffers