berliner szenenMensa mondän

Besser als im Süden

Eine Frau soll mal gesagt haben, sie lasse sich genauso ungerne beim Essen zusehen wie beim Gegenteil. Zumindest mit Ersterem habe ich keine Probleme. Fast täglich besuche ich die Mensa der Technischen Fachhochschule (TFH). An der Luxemburger Straße gelegen, versammelt sich in diesem Hort der Haute Cuisine ein buntes, den Gaumenfreuden offen zugetanes Publikum.

Bauarbeiter, Professoren und schicke Türkinnen strömen freudig zusammen, um Putenbrustfilets, panierte Fische und manchmal sogar frische Muscheln in Weißweinsoße zu goutieren. Natürlich auch die Studenten der TFH, die sich dubiosen Wissenschaften verschrieben haben, die es erfordern, noch beim Essen mehrere Laptops neben dem Suppenteller geöffnet aufzustellen und fachmännisch zwischen bunten Excel-Tabellen hin und her zu klicken. Beim Geschirrfließband sitzt seit Jahren der Mann mit Hornbrille, der hungrig auf die Essensreste der Gäste wartet. Die Preise sind im bundesweiten Vergleich erschwinglich. Zumindest ist dies der Eindruck, den die Gespräche der dicken, in geschmacklose Sackos gepressten Professoren vermitteln, die aus dem Süden des Landes angereist sind: „Ich bin sehr beeindruckt von der Auswahl und werde schon ganz unruhig, wenn ich sehe, wie die Studenten hier das Nachtischbüfett abräumen!“, sagte neulich ein Münchener Dozent. „Ja, unfassbar“, antwortete der andere, „bei uns im Schwarzwald kriegt man für das Geld höchstens noch ’ne Scheibe Graubrot!“

„Na wunderbar!“, denke ich, während mir die Küchenhilfe mit dem Bluthochdruckgesicht einen Berg Nudeln auf den Teller schaufelt, und wünsche mir selbst schon mal „Guten Appetit!“ JAN SÜSELBECK