Aschermittwoch schon Dienstag

Durch eine Tollpatschigkeit hat Justizsenatorin Karin „Funkenmariechen“ Schubert (SPD) den senatsinternen Streit um die Folgen des Verfassungsgerichtsurteils öffentlich gemacht. Das gibt Ärger

von ROBIN ALEXANDER

Der heutige Tag wird kein leichter für Karin Schubert. Den ersten Ärger gibt es schon um 8.30 Uhr. Dann treffen sich die SPD-Senatoren zur Vorbesprechung der Senatssitzung. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit ist nicht als Chef bekannt, der Mitarbeitern großzügig auch mal einen Fehler durchgehen lässt. Und Schubert hat – wird im Senat geschimpft – vergangene Woche einen kapitalen Bock geschossen: Per Brief erklärte sie Finanzsenator Thilo Sarrazin (auch SPD), sie teile seine Interpretation des Verfassungsgerichtsurteils zum Haushalt 2002/03 nicht. Kopien des Briefs gingen „zur Kenntnis“ an alle Senatoren. Sarrazin antwortet auf dem gleichen Weg, und der Briefwechsel landete in der Presse.

Inhaltlich liegt der Konflikt so: Schubert meint, das Urteil erlaube auch weiterhn eine erhöhte Kreditaufnahme. Zu ihrer Begründung könne man sich sowohl auf die Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts als auch auf die extreme Haushaltsnotlage berufen. Weder eine Streichung von nicht gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen noch deren explizite Begründung sei daher im nächsten Haushalt notwendig. Sarrazin meint hingegen, wenn das Land sich in extremer Haushaltsnotlage befinde, könne es keine Konjunkturpolitik für das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht betreiben. Damit dürfen nur noch gesetzlich vorgeschriebene oder aus der Verfassung ableitbare Ausgaben vorgenommen werden. Letztere müssen en detail begründet werden.

Politisch scheint das Vorgehen von Schubert keinen Sinn zu haben: Denn bisher war Sarrazin mit seiner extremen Interpretation des Urteils isoliert. Klaus Wowereit fand nach einigen Tagen des Schwankens zu folgender Linie: Eine erneute Überprüfung aller Ausgaben à la Sarrazin sei richtig, bestimmte Ausgaben könne man jedoch trotz des Urteils weiterhin politisch rechtfertigen. Damit meint der Regierende die klassischen Berliner Überausstattungen: Kitas, Sozial- und Kulturausgaben. Ähnlich sehen es die führenden PDS-Politiker. Am Montag soll deshalb Sarrazin bei einer Sitzung des Koalitonsausschusses, des höchsten rot-roten Gremiums, auf diese Linie verpflichtet werden. Erst danach wird Sarrazin in so genannten Chefgesprächen auf die Fachsenatoren losgelassen, um weitere Kürzungen in den einzelnen Etats zu erzwingen.

Durch Schuberts extreme Interpretation des Urteils werden nun Politiker von SPD und PDS zur Teilsolidarisierung mit dem Finanzsenator gezwungen. Ein Effekt, der diesem nur recht sein kann: Nicht zufällig wurde die Angelegenheit erst öffentlich, nachdem Sarrazin seiner Kollegin geantwortet hatte.

„Wie kann man nur so dämlich sein“, lässt sich ein Senator anonym zu Schubert zitieren. Schubert gilt im Senat nicht gerade als politisches Schwergewicht. „Unser Funkenmariechen“, spottet man in der Senatskanzlei intern über die 58-Jährige, die große Teile ihres Berufslebens im Rheinland verbracht hat und sich auf Terminen von CSD bis Karneval gern volksnah-vergnügt gibt.

Die stellvertretende Bürgermeisterin vertrat die Stadt auch in der Fernsehshow „Deutschland Champion 2003“, wo sie gemeinsam mit dem Boxer Sven Ottke „Quiz- und Sportaufgaben“ löste. Im Amt agiert sie glücklos: Die Forderung nach einem Gefängnisneubau nahm sie zurück – nachdem sie schon öffentlich war. Die von ihr forcierte Entlassung des Generalstaatsanwalts scheiterte.