gottschalk sagt
: Läv eijentlich dä Holzjupp noch?

CHRISTIAN GOTTSCHALK: Die Kolumne am Donnerstag

Köln liegt im Westen. Ziemlich weit im Westen. Während dem Ostler ständig abverlangt wird, „im Westen anzukommen“, werden die wenigsten Kölner jemals im Osten angekommen sein. Sie fahren lieber nach Belgien. Nichts gegen Belgien. Ich liebe die belgische Küste, vor allem, weil man nach ausgedehnten Strandspaziergängen immer mit der Straßenbahn zurückfahren kann. Welches Land hat das schon zu bieten? Dennoch kann ich nur empfehlen, auch mal die neuen Bundesländer zu besuchen.

Besonders Arbeitslosen sei eine Reise in die FNL ans Herz gelegt. Zum einen ist dort alles billiger. Wenn man das Lokal gut wählt, kann man für zwanzig Euro satt und deutlich angetrunken werden. Zum anderen kann man Ostler verwirren, weil die, Westfernsehen hin, Westfernsehen her, immer noch denken, sie hätten die Arbeitslosigkeit für sich gepachtet. Begegnen sie einem arbeitslosen Westler, bringt das ihr Weltbild total durcheinander. Ansonsten ist es wie im Rest von Deutschland auch: Man kann mit ihnen über alles reden, nur beim Thema Ausländer haben sie einen an der Klatsche. Eichborn-Verlag-Total-Lustige-Sponti-Sprüche-Revisited: Deutschland ohne Rassismus ist wie eine Frau ohne Fahrrad.

Im Osten kann man sogar etwas über den Sozialismus lernen. Beispiel Volkseigentum. Ein netter Tankwart erklärte mir, dass die Mopedanhänger im Osten „Klaufix“ genannt wurden, weil man damit nach Feierabend Dinge „organisierte“. Das ginge heute aber nicht mehr. Erstens wäre das Risiko zu hoch und zweitens: „Es gehört ja nicht mehr uns.“

Vom Zusammenhalt her ist der Ostler ja unheimlich gut. Da kann ihm im Westen wohl allein der Kölner das Wasser reichen im darüber Reden, wie gut der Zusammenhalt ist. Ich frage mich, warum die Schleim-Hymne der Bläck Fööss nicht längst ins thüringische übersetzt worden ist: „In ünserem Stodtvödel, holten mir züsommön...“ und so weiter. Im Gegenzug könnten dann die Bläck Fööss das Lied der Randfichten übersetzen: „Deit eijentlich dä ahle Holzjupp noch levve?“ Dann hätten die auch mal wieder einen Hit.

Fragt man den Kölner heute, was er denn am 9. November 1989 gedacht habe, sollte er ruhig ehrlich antworten: „Gehe ich übermorgen wieder als Müllmann oder probiere ich es mal als Scheich?“