„Faustschlag ins Gesicht von Migranten“

Kaltschnäuzige Sparpolitik: Gesundheitsministerin von der Leyen (CDU) streicht Ethno-Medizinisches Zentrum

Hannover taz ■ Eine Todesbotschaft kann scheißfreundlich beginnen: „Ich möchte Ihnen meine Glückwünsche zum Erhalt des Qualitätspreises der Akademie für öffentliches Gesundheitswesen 2004 aussprechen“, schrieb Ursula von der Leyen an den „sehr geehrten Herr Salman“. Er berufe sich „zu Recht darauf, dass Ihr Zentrum nicht nur in Niedersachsen, sondern bundesweit Anerkennung für die Unterstützung einer bürgernahen Gesundheitsversorgung von zugewanderten Mitbürgern genießt“. Natürlich „wäre es daher sicher wünschenswert“, das Ethno-Medizinische Zentrum weiter mit Landesmitteln zu fördern, schrieb Niedersachsens CDU-Gesundheitsministerin. Sie „bedauere sehr“, aber „auf Grund der wirklich dramatischen Haushaltslage“ würde die Förderung im kommenden Jahr von derzeit 86.000 Euro auf Null reduziert.

Als einen „Faustschlag ins Gesicht von Migranten“ bezeichnet Ramazan Salman, der Geschäftsführer des Ethno-Medzinischen-Zentrums in Hannover, den 17-zeiligen Brief der Ministerin. Die Streichung entziehe der bundesweit einzigartigen Einrichtung den Boden für Projekte, die zusammen mehr als das Dreifache der Fördersumme ausmachten. Die Grünen kritisierten den Beschluss bereits, auch von der FDP will Salman „positive Signale“ gehört haben.

Jährlich vermittelt das Zentrum über 2.000 mal Dolmetscher in über 40 Sprachen in Krankenhäuser, Gefängnisse, Praxen und Beratungsstellen. „Ein Patient sollte in seiner Landessprache gesagt bekommen, dass er Krebs hat“, erklärt Salman. Zudem verhindere die Arbeit des Zentrums „nachweislich“ Fehldiagnosen und Mehrfachuntersuchungen. Außerdem koordiniere man über 300 Ehrenamtliche und sorge für 200 mehrsprachige Aufklärungs- und Informationsveranstaltungen pro Jahr. Mehrfach ausgezeichnet wurde ein Projekt im Landkreis Stade, das Migrantenkinder zum Impfen riet.

Es sei „widersinnig“, wenn von der Leyen darauf verweise, die Gesundheitsämter der Kommunen sollten künftig die Arbeit des Zentrums übernehmen. „Die fragen uns doch um Rat“, betont Ramazan Salman. Und: „Wer soll denn in Zukunft das Verständnis über Sprachen und Kulturen hinweg vermitteln?“ Delegationen aus Amsterdam, Berlin und München hätten das „Vorzeigeprojekt“ bereits kopieren wollen. Salman: „Andere Bundesländer wollen aufbauen, wir stehen nach 15 Jahren erfolgreicher Arbeit vor dem Aus“.

Kai Schöneberg