„Gehet hin in alle Welt – Die deutsche Mission in Afrika“ von Jean Marie Teno im Metropolis
: Die Kolonialisierten blicken zurück

Mittlerweile hat sich ja herumgesprochen, dass Kolonialisierung nicht nur in Form von brutalen militärischen Überfallen und Okkupation vonstatten ging. Die kulturelle Kolonisation, auch Innere genannt, spielte bei dem Prozess eine mindestens genau so wichtige Rolle. Schließlich versuchte Europa – in diesem Fall Deutschland– nicht nur so viele afrikanische Resourcen wie möglich ökonomisch auszubeuten, sondern gleichzeitig auch den eigenen Exportschlager „Kultur“ in den Kolonien einzuführen.

Welche Rolle dabei die Missionstätigkeit deutscher Geistlicher spielte, versucht Gehet hin in alle Welt zu erkunden. Dabei erklärt sich der Dokumentarfilmer Jean Marie Teno zum Freund einer deutlich subjektiven Sichtweise. Schon bei seinen früheren Arbeiten wie Ferien in der Heimat (Vacances aux pays, 2000) oder dem im Metropolis anschließend ebenfalls zu sehenden Film Macht der Wörter (Afrique je te plumerais, 1992) erlaubt es ihm diese Sichtweise, sich mit Fragen der Migration, des Neokolonialismus und der Machtverhältnisse in seinem Geburtsland Kamerun auseinander zu setzen.

Auf den Spuren der 1828 gegründeten „Rheinischen Missionsgesellschaft“ führt ihn seine Reise von Deutschland nach Namibia, Südafrika, Togo und Kamerun. Dabei begegnet er Nachfahren von Missionierten und Missionaren. Obwohl die Positionen dabei nicht die gleichen wie früher waren, stößt der Film auf erstaunliche Beziehungen. Dabei bleibt Teno nicht bei einer historischen Aufarbeitung von Missionarstätigkeit und der Verflechtung zwischen christlichem Ethos und kaufmännisch-kolonialen Interessen stehen, sondern fragt immer wieder nach der aktuellen Position der afrikanischen Kirche und ihrem politischen Engagement.

Dass dieses sich oftmals deutlich progressiver geriert als das der europäischen Glaubensgenossen, ist nicht besonders verwunderlich. Denn es scheint, als hätten sich in den vielen Jahrzehnten nach dem offiziellen Ende der Kolonisation die AfrikanerInnen das Instrument Kirche angeeignet – und nicht länger umgekehrt.

Als einer der wichtigsten Vertreter der jungen Generation afrikanischer Filmemacher läuft Tenos ambitionierte Spurensuche auf die Frage nach den Wechselwirkungen der Kolonisation hinaus. Was bedeutet es für die Nachfahren der Kolonisierten wie der Kolonisatoren, heute in deutschen Missionsarchiven und Museen afrikanische Heiligtümer und Kunstschätze zu bewundern, die unter dem Deckmantel der Wissenschaftlichkeit aus Afrika „importiert“ wurden?

Für Jean Marie Teno, der seit Ende der 70er Jahre in Frankreich lebt, eine zutiefst persönliche Frage. Seine Dokumentation gibt darauf die Antwort, wie auch auf die Frage, warum es einen südafrikanischen Ort namens Wuppertal gab, noch bevor die deutsche Stadt den gleichen Namen trug. Jonas Berhe

Do, 19 Uhr, Metropolis; Gast: Jean-Marie Teno