Buchen musst Du suchen

Hamburgs Wald hat in den vergangenen zwei Jahren stark gelitten. Grund: Hohe Temperaturen und starker Regen nach langer Umweltverschmutzung

Viele Fichten sind ertrunken, während oben die Borkenkäfer angriffen

von Gernot Knödler

Wenn Rainer Wujciak durch die Wälder streift, blutet sein Herz. Der Leiter der Abteilung Landwirtschaft und Forsten der Wirtschaftsbehörde sieht hektarweise abgeholzte Fichten und todgeweihte Buchen – Folge zweier extremer Sommer, die dem bereits vorgeschädigten Wald schwer zugesetzt haben. „In diesem Jahr haben Art und Umfang der Schäden Besorgnis erregend zugenommen“, konstatierte die Behörde, nachdem ihr die Daten der aktuellen Schadenserhebung vorlagen. Um den Wald zu erhalten, müssen für 440.000 Euro Setzlinge gepflanzt werden, schätzt die Forstverwaltung.

Besonders schwer hat es den Klövensteen erwischt, eine zipfelige Ausbuchtung des Hamburger Gebiets nördlich von Rissen. Dort sei „ein flächenhaftes Absterben von Buchen“ zu beobachten, sagt Wujciak. Ein Phänomen, das er noch nie erlebt hat. Zwei Hektar 100-jähriger Buchen werden im Frühjahr nicht wieder austreiben, Bäume im besten Alter mit höchster Widerstandskraft. Nach einem Sturm hatten die Förster Gelegenheit, sich das Wurzelwerk einiger geschädigter Buchen anzusehen. „Die Feinwurzeln waren schlicht weg“, erinnert sich Wujciak.

Seit mehr als 40 Jahren schädigen Schadstoffeinträge den Waldboden, wie der Abteilungsleiter erläutert. Schwefeldioxid spielt inzwischen keine Rolle mehr, die Stickoxide sind stark zurückgegangen, lediglich das Ammoniak aus der Landwirtschaft kommt weiter in großem Umfang dazu. Doch das Unheil ist längst geschehen. Die Stoffe haben den Waldboden sauer werden lassen, die Tonmineralien darin zerstört und Aluminium-Ionen, geladene Teilchen, freigesetzt, die das Wurzelgeflecht vergiften.

Ein heißer Sommer wie 2003 bringt die Bäume nicht nur ins „Schwitzen“, er regt auch die Bodenorganismen dazu an, besonders fleißig Humus zu produzieren, wodurch der Waldboden noch saurer wird. Vervollständigt wird das Problem durch extrem starke Regenfälle, die an manchen Orten zu einem dauerhaft hohem Grundwasserspiegel führen.

„Die durch den Witterungsverlauf des Jahres 2003 bereits stark vorgeschädigten Fichtenbestände konnten die ungewöhnlichen Wassermengen nicht mehr verkraften“, stellt die Wirtschaftsbehörde fest. Viele Fichten seien im Boden regelrecht ertrunken, während sie oberirdisch vom Borkenkäfer angegriffen wurden, der sich durch den warmen Sommer des Vorjahres prächtig vermehren konnte.

Waldarbeiter werden die Buchen umsägen – wie zuvor schon einige Hektar toter Fichten –, um dem Borkenkäfer keine Chance zu geben, sich großflächig auszubreiten. Allein im Klövensteen müssen 32 Hektar Wald neu aufgeforstet werden, weitere 50 Hektar müssen mit zusätzlichen Setzlingen stabilisiert werden. Insgesamt werden die Waldarbeiter 50 Hektar neu aufforsten und 100 Hektar nachbepflanzen. Eine Statistik über das Maß der Schädigung der Bäume führt Hamburg seit 2001 nicht mehr. Der Wald sei zu klein.

Die Forstverwaltung bewirtschaftet den Wald zwar naturnah, darauf, dass er von alleine nachwächst, mag sie jedoch nicht setzen. Gerade die Buchen als am stärksten geschädigte Baumart tendierten dazu, homogene Bestände zu bilden. Werden sie sich selbst überlassen, verdrängen sie andere Baumarten weitgehend und wachsen sich überdies auch altersmäßig zu einheitlichen Kohorten aus.

Die Forster setzen daher gezielt Bäumchen unter die hohen Buchen, wobei sie andere Arten, etwa die in Norddeutschland ebenfalls heimischen Eichen, besonders päppeln. Ein auf diese Weise diversifizierter Bestand ist weniger anfällig gegen den multiplen Stress. Und wenn die großen Bäume vor der Zeit fallen, steht der Nachwuchs schon in den Flegeljahren.