… e una cocacola von SUSANNE FISCHER
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Das schönste deutsche Wort ist ja neuerdings angeblich „Habseligkeiten“, weil alle ihre sieben Plünnen geizig zusammenhalten, aber das zweitschönste ist „Nachsaison“, wenn man einmal von „Tellergericht“ und der Loriot’schen „Auslegeware“ absieht.

In Italien ist im Oktober schon gar keine Nachsaison mehr, sondern überhaupt nichts. Die Restaurants wurden bereits im September zusammengefaltet, die Sonnenschirme abgeschlossen, und die Eisdielen zogen in den Norden. Ein Wunder, dass das Mittelmeer noch geöffnet war. Es verfügte sogar über eine Temperatur, die Norddeutsche als hochsommerlich empfinden.

In der Feriensiedlung waren nur drei Wohnungen belegt, während 117 mit geschlossenen Läden auf den Sommer warteten. Dabei wurden sie nur von Handwerkern mit Kreissägen gestört, die uns später auf ihren kleinen Handwerkerkarren durch ganz Süditalien verfolgten.

Die Pizzeria, in der wir einsam vor einem brüllenden Fernseher unsere erste italienische Mahlzeit einnahmen, schloss am nächsten Tag. Im letzten geöffneten Restaurant übersetzte ich kurz darauf sechs jungen, unbedarften Deutschen die Speisekarte, obwohl ich gar kein Italienisch kann. Ich hoffte, das Lokal rechtzeitig zu verlassen, ehe sie Dinge mit drei Augen und Armen auf ihrem Teller vorfanden. Das war, bevor sie sich als unsere fast einzigen Nachbarn in der Siedlung „le depressioni“ zu erkennen gaben. Die anderen waren Schweizer, und das den lieben langen Tag, sogar im Urlaub. Vor Entzücken fiel ich am nächsten Tag die Betontreppe herunter, die zum Strand führte. Die Hose wollte ich sowieso wegwerfen, aber eigentlich erst in zehn Jahren.

Mit unserem Mietwagen verließen wir daraufhin den Ort. Das war gar nicht so einfach, denn aus Sparsamkeitsgründen werden Wegweiser in Italien nur an jeder dritten Kreuzung aufgestellt, und dank meiner Sprachbegabung weiß ich nun auch, dass „tutte le direzioni“ auf Deutsch heißt: „Viel Spaß beim Verfahren in unserer Altstadt, in der die Gassen nur 1,85 Meter breit sind, aber dafür 30 Prozent Steigung haben. Lernen Sie bitte alle kennen, und beachten Sie die Einbahnstraßenschilder.“

Um das neue, deutschstämmige Mietauto italienischer zu gestalten, fuhren wir rückwärts gegen einen Betonpfosten, was zu einem schiefen Nummernschild führte. Die Italiener sind das hilfsbereiteste Volk der Erde, und wenn ich mir je irgendetwas merken könnte, wüsste ich jetzt auswendig, was „Ihr Nummernschild hängt schief!“ auf Italienisch heißt. In Wirklichkeit war es nicht so einfach, sondern mehr so: Ein italienisches Auto nähert sich von hinten. Hup, Lichthup, Überhol, Gestikulier, Ausdemautofensterbrüll. „Ihr Nummernschild hängt schief“, sagten wir dann im Chor zu uns selbst, und winkten lässig ab.

Als die Polizei allerdings auch mit Hup-Lichthup anfing, wurde ich nervös. Vielleicht gibt es ja in Italien ein Gesetz gegen schief hängende Nummernschilder. Vielleicht ist es sogar die einzige Vorschrift im italienischen Autoverkehr, die beachtet wird. Aber die Polizisten winkten nur lässig ab und fuhren weiter. Es muss schön sein, als Italiener zur Welt zu kommen. Und an die riesigen Sonnenbrillen könnte man sich zur Not auch noch gewöhnen.