Kriselnde Klänge

Wie hört sich die Zukunft an? Ein 3sat-Themenabend über Musik, Macht und Märkte (ab 20.15 Uhr)

Die Musik ist hoffentlich noch vielen lieb – zumindest aber immer weniger Menschen teuer. Davon erzählt heute Abend die Dokumentation „Von Hitgiganten und Musikzwergen“, deren Macher Thomas Jansen und Gerold Hofmann der schwindenden Definitionsmacht von (Pop-) Musik als Brutto- wie als Sozialprodukt nachgegangen ist. Darüber diskutiert im Anschluss (21.00 Uhr) das Wissensmagazin „delta“, das unter anderem fragt, was Pisa und Verdi, was schulische Bildung und musikalische Erziehung gemein haben könnten. „Ein Thema“, so ja der „delta“-Slogan, „in der Vielfalt seiner Perspektiven“. Und vielfältig sind die Klänge auch in diesen Zeiten ihrer Krise: Tonmodulationen zwischen Ernst und Unterhaltung, goldenen Schallplatten und bleiernen Warenlagern, leichten Melodien und tonnenschwerer Melancholie.

Eine Thema aber auch, das seine hoffnungsfrohen Ausblicke gerade in den Nischen findet. Wo sich ein bittersüßer Maximilian Hecker an seiner Akustikgitarre festhält, ohne sich davon Villa und Pool zu erwarten. Wo der androgyne Liedermacher zur Blaupause einer neuen, alten Sehnsucht nach dem Authentischen wird. Derweil die Popindustrie sich am eigenen Größenwahn verschluckt hat, fängt alles eben wieder bei Bob Dylan an. Oder, wie es Thomas Jansen sagt: „Der Wunsch nach Identifikationsmustern, die nicht schablonenhaft funktionieren, wird sich immer neue Wege suchen.“

Mitten in der ausgemachten „Agonie einer Industrie“ keimen sie also, die liebenswerten Lieder. Und so schreibt „Von Hitgiganten und Musikzwergen“ an einer Musikindustriegeschichte mit offenem Ende.

Offene Enden zeichnen auch das Wissensmagazin „delta“ aus. In guten Momenten: Anschlussstellen zum Weiterdenken. Darum sollen sich heute Abend gemeinsam mit Gastgeber Gert Scobel der Hirnforscher Manfred Spitzer, Komponist Wolfgang Rihm und Catherine Rückwardt, Generalmusikdirektorin des Mainzer Staatstheaters, kümmern. „Macht Musik klug?“ heißt die – so viel sei verraten – suggestive Fragestellung. Und ferner: Ist der Zugang zu diesem Schlaumacher ein gesellschaftliches Privileg? Zumal, so Scobel, „musikalische Bildung immer noch etwas ist, das man sich privat leisten muss“. Etwas, das immer öfter auf dem Stundenplan fehlt, weil sich eine radikal spezialisierte Gesellschaft kaum mehr Zeit für die Musen nimmt.

Gert Scobels 13-jährige Tochter übrigens hatte bis vor kurzem Klavierunterricht in einer Volkshochschule im Taunus – beim Keyboarder der 70er-Jahre-Band Suzie Quattro. Denn reich ist man mit Musik auch zu seligen Glamrock-Zeiten nicht geworden. CLEMENS NIEDENTHAL