GEORGIEN BRAUCHT DRINGEND DIE HILFE DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFT
: Kreative Herausforderung

Wenn man einen historischen Lernprozess beobachten kann, dann in Georgien. Viele gebildete Jugendliche haben bereits im westlichen Ausland studiert und funktionierende Demokratien kennen gelernt. Diese Generation sucht nach Unterstützung für eine Demokratisierung – nur nicht bei den Politikern, die jetzt in der „samtenen Revolution“ gesiegt haben.

Das Problem ist: Russland und die USA, die jetzt in Georgien als Global Player agieren, haben sich in der Vergangenheit um die Reform von Staat und Gesellschaft nicht gekümmert. Die USA haben das korrupte Regime Schewardnadses so lange unterstützt, wie er ihre militärische Präsenz zu garantieren vermochte. Und Russland hat vor allem seine geostrategischen Interessen verfolgt.

Heute jedoch ist Moskau selbst instabil und entfernt sich zunehmend von den demokratischen Spielregeln. Die Georgier tragen es den Russen zudem nach, dass diese in Südossetien und Abchasien die Abtrünnigen unterstützten. Wenn das russische Eingreifen auch begründet gewesen sein mag, so bleibt der Eindruck, dass es die regionalen Konflikte nach dem Motto „Teile und herrsche“ geschürt hat.

Große Popularität in allen Staaten des Südkaukasus genießt dagegen das „europäische Modell“. Armenien, Aserbaidschan und Georgien wurden auf eigenen Wunsch Mitglieder des Europarates, doch in dem neuen politischen Strategiepapier „Wider Europe“ der EU-Kommission wird der Südkaukasus nicht erwähnt. Dabei pumpen europäische Stiftungen und Staaten beträchtliche Mittel dorthin. Nichts läge näher, als diese Hilfe mit einem politischen Konzept neu zu definieren. Gefördert werden müssten Projekte, die die Staaten und de facto unabhängigen Territorien des Südkaukasus zusammenschweißen. Denn eine unabhängige wirtschaftliche Entwicklung ist für die Region nur im Ganzen möglich. Heute könnte solch ein Pakt von Europa inspiriert und von den USA und Russland unterstützt werden. Der Südkaukasus ist die größte kreative Herausforderung für eine EU-Außenpolitik. BARBARA KERNECK