TROTZ DES SIEGES DER KONSERVATIVEN SIND REFORMEN MÖGLICH
: Gegen das eigene Lager

Noch vor Wochen gaben sich viele Intellektuelle in Kroatien Illusionen hin. Eine Wiederkehr der Tudjman-Partei HDZ schien ausgeschlossen, hatte doch die bisherige Regierungskoalition einiges an Erfolgen vorzuweisen. Die unter dem Sozialdemokraten Ivica Račan regierende Mitte-links-Koalition machte aus Kroatien einen „normalen Staat“, vollendete die Demokratisierung des Landes und verschlankte die Bürokratie. Sie führte zudem schmerzhafte, aber erfolgreiche Wirtschaftsreformen durch, leitete die Versöhnung mit den Nachbarländern und die Integration in die EU ein. Die Bilanz konnte sich sehen lassen.

Vielleicht deshalb hat die Koalition nicht richtig gekämpft, ja sie hat es versäumt, ihre eigenen Anhänger zu mobilisieren. Die Parole „Für Kroatien“ war einfach zu dünn. Außerdem biederte sie sich an die nationalistischen Strömungen in der Gesellschaft an. Und diese Strömungen sind mit so etwas nicht von „ihrer“ Partei abzubringen. Dem weltläufigen HDZ-Vorsitzenden und künftigen Premierminister Ivo Sanader gelang es hingegen, Wähler zu gewinnen, die bisher die regierende Koalition unterstützt hatten. Er nutzte die Zeit in der Opposition, um die HDZ von einer Nationalbewegung in eine konservative Partei umzuwandeln, das Verhältnis zu Europa neu zu bestimmen und eine Erfolg versprechende Dynamik in der Wirtschaftspolitik zu verheißen.

Wenn es ihm nun noch gelingt, sich von dem rechtslastigen bisherigen Bündnispartner, der Partei des Rechts, zu lösen und mit der in der bisherigen Koaliton regierenden Bauernpartei zu koalieren, würde er von internationaler Seite und der EU wohl keine Hindernisse zu erwarten haben. Sanader darf jetzt nicht zulassen, dass seine eigene Parteibasis auf lokaler Ebene „Rache“ übt und wie früher den Staatsapparat widerrechtlich übernimmt. In Zukunft muss Sanader das Rechtssystem auf EU-Niveau heben und mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zusammenarbeiten. Das wird wegen der Widerstände im eigenen Lager nicht einfach werden, doch ist auch klar: Mit einer HDZ-Regierung muss Kroatien nicht zwangsläufig den Rückwärtsgang einlegen und in die Tudjman-Zeit zurückfallen. ERICH RATHFELDER