Die Gen-Debatte
Proteste planen

Gegner der Gentechnik bleiben weiterhin in der Offensive

Umwelt- und Naturschutzverbände sind am runden Tisch nicht vorgesehen

BERLIN taz ■ „Ich bin begeistert über das Genmaisverbot“, sagt Edeltraut Butz von dem Netzwerk Zivilcourage Landshut, „aber Monsanto möchte klagen, die geben keine Ruhe.“ Dass Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) am Dienstag den Genmais MON 810 verboten hat, verschaffe der 47-jährigen Biobäuerin aus dem bayerischen Rottenburg eine Verschnaufpause. Dann müsse der Protest weitergehen, meint sie. „Bei den Konzernen liegen die fertigen Pflanzen in der Schublade“, sagt Butz, „wir dürfen jetzt nicht nachlassen.“

Netzwerke wie die Zivilcourage Landshut ziehen sich durch ganz Bayern und formieren Privatpersonen und Organisationen, die sonst nicht viel miteinander zu tun haben oder sich gar kritisch beäugen. „Bei uns macht der Bauernverband mit, der Bund für Umwelt und Naturschutz und die Bioanbauverbände“, sagt Butz. Die Breite der Bewegung sei es, die auch die Politik zum Umdenken bewegt habe, sagt Felix Kolb von dem Bürger-Netzwerk Campact. „Untypische Allianzen, ein geschickter Zeitpunkt der Protestaktionen in Bayern vor den Landtagswahlen und die öffentliche Meinung“ hätten zusammengewirkt. „Frau Aigner musste erkennen, dass nicht nur ein paar reisende Umweltaktivisten bei Veranstaltungen protestiert haben“, sagt Kolb, „sondern Bürger aus ihrem Wahlkreis.“ Das habe die Schlagkraft der Bewegung ausgemacht.

Und die sieht sich durch das Genmaisverbot eher beflügelt als beruhigt. Der Imker Michael Grolm aus Thüringen etwa fährt heute frohgemut nach Frankfurt (Oder). Das dortige Landgericht entscheidet darüber, ob er 360 Euro Strafe zahlen muss, weil er vor zwei Jahren im brandenburgischen Oderbruch ein Feld mit Genmais MON 810 zertrampelt hat. „Ich freu mich schon darauf, dem Gericht die Argumente von Frau Aigner um die Ohren zu hauen“, sagt Grolm. Das Netzwerk Gendreck weg!, dem Grolm angehört, werde jetzt in Klausur gehen und die nächsten Aktionen planen.

Rund 50 Agrarstudenten, Landwirte und Gemüsegärtner aus dem hessischen Witzenhausen wurden gleich am Mittwochmorgen aktiv. „Dass MON 810 verboten ist, ist schön“, sagt der Gemüsegärtner Daniel Brand, aber Deutschland ist noch längst nicht gentechnikfrei. Also haben sie einen Acker besetzt, auf dem die Firma KWS einen Freisetzungsversuch mit Genzuckerrüben starten wollte.

Neben solchen Freisetzungsversuchen wird Christof Potthof vom Verein Genethisches Netzwerk die beiden neuen Genmaissorten BT-11 und 1507 ins Visier nehmen, über deren Zulassung in Brüssel derzeit entschieden wird. Genau wie die meisten bayerischen Gentechnikgegner war er am Mittwoch telefonisch nur schwer erreichbar. Sie demonstrierten auf dem Münchner Marienplatz gegen Patente, die das Europäische Patentamt auf ein Verfahren zur Schweinezucht erteilt hat. Die Themen gehen der Bewegung also nicht aus. Und, so Potthof, nach der Bundestagswahl würden die Messen sowieso neu gesungen.

HEIKE HOLDINGHAUSEN

Kunden ködern
Deutsche Supermärkte sind nicht frei von Genprodukten

BERLIN taz ■ Bald gibt es ein Jubiläum: Im Juli vor zehn Jahren hat der Lebensmittelriese Nestlé seinen Schokoriegel „Butterfinger“ vom Markt genommen, der gentechnisch veränderten Mais enthalten hatte. Der Verbraucher wollte die Süßigkeit nicht haben. Inzwischen betreibt das Unternehmen viel Aufwand, damit keine gentechnisch veränderten Zutaten in seine Lebensmittel gelangen.

Der Fall ist symptomatisch. „In Deutschland gibt es in den Supermärkten quasi keine Produkte, die als gentechnisch verändert gekennzeichnet sind“, sagt Gerd Spelsberg, Redaktionsleiter der Infoplattform über Lebensmittel „Transgen.“ Während in den benachbarten Niederlanden zum Beispiel Speiseöle aus Gensoja angeboten würden, hätten die Hersteller für den hiesigen Markt eher ihre Rezepturen verändert. „Margarine wurde von Soja auf Rapsöl umgestellt“, so Spelsberg. Der einzig hierzulande als Lebensmittel zugelassene gentechnisch veränderte Organismus (GVO) ist eine Süßmaissorte, die etwa in einer Dose im Edeka-Supermarkt landen könnte. „Wir führen solche Waren nicht“, sagt dazu ein Sprecher der Edeka-Zentrale. „Das ist bei den Kunden überhaupt nicht durchsetzbar.“ Auch Konkurrent Rewe winkt ab, GV-Produkte sind unverkäuflich – und als solche auch für den Kunden erkennbar.

Denn GVO müssen seit 2004 nach EU-Recht als solche gekennzeichnet sein. Enthält eine Pizza etwa Genmais, muss dieser in der Zutatenliste hinten auf der Packung als solcher benannt werden. Serviert ein Gastwirt einen Genmaiskolben, muss er das auf der Speisekarte vermerken.

Allerdings: Ganz ohne Gentechnik kommt die Lebensmittelindustrie nicht aus. Viele Zusatzstoffe in unserem Essen werden mit GVO hergestellt, zum Beispiel Vitamine. „Sie werden in geschlossenen Systemen von gentechnisch veränderten Mikroorganismen produziert“, sagt Jutta Jaksche vom Verbraucherzentrale-Bundesverband (vzbv). In vielen Bereichen der Lebensmittelproduktion sei das kaum noch zu umgehen, „auch im Biobereich nicht“, so Jaksche.

„Dem Verbraucher werden wesentliche Informationen vorenthalten“, kritisiert die Agrarexpertin des vzbv. So bestünden importierte Futtermittel überwiegend aus Gensoja und Genmais. Die Milch der Kühe, die damit gefüttert werden, ist aber nicht gekennzeichnet, genauso wenig wie Eier von Hühnern, die Genfutter picken. „Der Verbraucher hat ein Recht darauf, das zu erfahren, damit er bewusst auch einen Markt für Futtermittel ohne Gentechnik schaffen kann“, sagt Jaksche.

Wer ganz sichergehen will, GVO nicht nur aus dem Supermarkt, sondern auch vom Acker zu verbannen, muss auf Bioprodukte zurückgreifen oder auf das Siegel „ohne Gentechnik“ achten. In Deutschland legt ein Gesetz zur Kennzeichnung gentechnikfreier Produkte fest, dass in der Produktionskette keine gentechnisch veränderten Organismen eingesetzt werden dürfen. Trotzdem können Bestandteile von Ökolebensmitteln mittels Gentechnik produziert werden – Verunreinigungen bis zu 0,9 Prozent sind erlaubt. HOL

Aigner ärgern
Die Genlobby ist widerborstig, Schavan will runden Tisch

BERLIN taz ■ Das von Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) verkündete Anbauverbot für den Genmais MON 810 zieht einen tiefen Graben quer durch die Unionsparteien. Während ihre CSU-Parteikollegen begrüßten, dass Aigner die Aussaat der insektenresistenten Maiskörner untersagte, gab es aus der Schwesterpartei Kritik am Kurs im Landwirtschaftsministerium.

„Ich halte die Entscheidung für falsch, weil wir damit eine Zukunftstechnologie in Deutschland verhindern oder große Umwege gehen müssen“, sagte der agrarpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Peter Bleser (CDU). Langfristig seien Arbeitsplätze in Gefahr. Auch Katherina Reiche (CDU), Vizevorsitzende der Unionsfraktion, will den Vorstoß von Aigner so nicht mittragen: „Ich habe für das Verbot kein Verständnis.“ Sie bezeichnete Aigners Entscheidung als „stark CSU-geprägt“ und „populistisch.“

Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) kündigte in einer ersten Reaktion sogar an, dass sie einen runden Tisch einrichten werde, um gemeinsam mit Vertretern der Wissenschaft, Wirtschaft und den betroffenen Ressorts aus Bund und Ländern den Forschungsstandort Deutschland auch für die grüne Gentechnik attraktiv zu gestalten. „Wir brauchen klare Signale für die Forschung in der grünen Gentechnik in Deutschland und in Europa“, sagte Schavan.

Auf Unverständnis wird dann bei ihr auch das Vorhaben des bayerischen Umweltministers Markus Söder (CSU) treffen, der den Freistaat Bayern als „gentechnikanbaufreie Zone“ ausrufen möchte. Selbst begrenzte Freisetzungsversuche mit genveränderten Pflanzen sollten seiner Meinung nach in Bayern nicht mehr stattfinden. Ob diese Position auch nach den nächsten Wahlen in der CSU noch mehrheitsfähig ist, bleibt abzuwarten. So weit ist selbst Ministerin Aigner nicht gegangen. Sie betonte, dass das MON-810-Verbot eine Einzelfallentscheidung sei.

Der Biotechkonzern Monsanto wird Aigners Entscheidung vermutlich nicht einfach hinnehmen. Ob Monsanto juristisch dagegen vorgehen wird, sei „noch nicht entschieden“, sagte Monsanto-Sprecher Björn Malcharczyk. „Noch haben wir keinen offiziellen Bescheid.“ Der Weltmarktführer bei Gentech-Saatgut hat auch die laufende Anbausaison noch nicht aufgegeben. Monsanto werde alle Optionen prüfen, „damit Landwirten in Deutschland die Möglichkeit offensteht, MON 810 anzubauen“, verkündete der Konzern.

Den runden Tisch von Forschungsministerin Schavan bezeichnete Monsanto-Sprecher gegenüber der taz als einen „guten Vorschlag“. Diese Initiative „sehen wir getrennt von dem MON-810-Verbot“. Vielleicht schaffe es Forschungsministerin Schavan sogar, dass Landwirtschaftsministerin Aigner mit am runden Tisch sitze, hofft der Monsanto-Sprecher. Von Vorteil wird dann sicher sein, dass Schavans „runder Tisch“ tatsächlich nur halbrund ist. Denn dass Umwelt- und Naturschutzverbände mit an dem Tisch sitzen, ist nicht vorgesehen. WOLFGANG LÖHR