Zocken soll Landessache werden

Neue „Zugriffsrechte“ sollte die Föderalismus-Reform dem Land bringen. Doch noch ist unklar, wofür NRW künftig zuständig sein wird. Bund: Länder sollen Spielhöllen, Kneipen und Küstenschutz regeln

VON MARTIN TEIGELER

Monatelang wurde diskutiert, die gesamte politische Elite des Landes war in die Verhandlungen eingebunden: Und am Ende steht eine neue Aufgabenverteilung im Spielhöllen-Wesen. Geht es nach der Bundesregierung, dann wird das Land Nordrhein-Westfalen mehr Kompetenzen für einarmige Banditen und Ego-Shooter bekommen. Bisher hatten sich Bund und Land die Zuständigkeit für das Glücksspielwesen geteilt. Auf diesem Niveau spielen sich die Vorschläge der Bundesregierung an die Föderalismus-Kommission (siehe Infokasten) ab. „Das sind Kleinigkeiten, Brosamen für die Landtage“, kommentiert NRW-Justizminister Wolfgang Gerhards (SPD) die Ideen der Regierung zur Neuordnung der bundesstaatlichen Ordnung. So könne man die Reform nicht machen.

Auch Sylvia Löhrmann, grüne Fraktionsvorsitzende im Düsseldorfer Landtag, zeigt sich enttäuscht von den Plänen der Bundesregierung: „Die paar Bröckchen sind sehr, sehr unbefriedigend.“ Am Mittwoch hatte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) die Vorschläge des rot-grünen Kabinetts zur Föderalismus-Reform vorgelegt. Von den Rahmenvorschriften des Bundes (Grundgesetz-Artikel 75) soll einiges an die Länder delegiert werden. Vor allem um kleinteilige Elemente des Wirtschaftsrechts wie Regelungen für Ladenschluss, Gaststätten, Messen, Märkte, Schornsteinfegerrecht und Spielhallen sollen sich die 16 Bundesländer allein kümmern. Auch Teile des Forstrechts, das landwirtschaftliche Pachtwesen und – für NRW ganz besonders unwichtig – der Küstenschutz sollen Ländersachen werden. „Was da vorgelegt wurde, fällt hinter den Diskussionsstand in der Föderalismus-Kommission zurück“, so NRW-Justizminister Gerhards gestern zur taz.

Geht es nach der Regierung in Berlin sollen die Länder keine „Zugriffskompetenz“ auf Bundesgesetze haben. Es dürfe keinen „Flickenteppich von Bundes- und Landesgesetzen“ geben, so Bundesjustizministerin Zypries. Die Kernbereiche der Sozial-, Wirtschafts- und Innenpolitik sollen also bundeseinheitlich geregelt bleiben. Das Dienstrecht der Beamten ebenso wie der Umwelt- und Verbraucherschutz.

Den Vorschlägen der Bundesregierung werden in der Föderalismuskommission keine Chancen eingeräumt. Besonders die Länder drängen unter dem Stichwort „Wettbewerbsföderalismus“ auf mehr Kompetenzen in Kernbereichen wie dem Hochschulbau oder dem Besoldungs- und Versorgungsrecht für Staatsdiener. Das Land Nordrhein-Westfalen will etwa ein einheitliches Dienstrecht für Beamte und Abgeordnete schaffen. Das hierzu in der Kommission diskutierte „Zugriffsrecht“ würde es den Ländern erlauben, in diesen speziellen Bereichen eigene Gesetze zu beschließen. In einem mehrstufigen Verfahren müsste der Bund erst ein Gesetz schaffen, von dem die Länder dann abweichen könnten. Bund und Länder könnten mit Neuregelungen das jeweils vorangegangene Gesetz wieder korrigieren.

„Es geht um einen fairen Ausgleich von Interessen“, sagt Landesjustizminister Gerhards. Es ginge bei der Reformarbeit um nichts anderes als ein Nullsummenspiel, „bei dem trotzdem alle gewinnen sollen – und werden“. NRW wolle nicht mehr Macht, sondern eine klarere Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern, so Gerhards. Wenn den Ländern in Kompetenzbereichen wie dem öffentlichen Dienstrecht „Abweichungsrechte“ eingeräumt würden, seien die 16 Gliedstaaten zu Zugeständnissen bereit. Die „Mitbestimmungsrechte“ der Länder über den Bundesrat könnten dann eingeschränkt werden. 60 Prozent aller Bundesgesetze bedürfen gegenwärtig der Zustimmung der Länderkammer. „Das könnte man halbieren“, sagt Gerhards.

Am 17. Dezember will die Reformkommission ein mehrheitsfähiges Konzept vorlegen. Viel spricht dafür, dass bis in Nacht verhandelt wird – wie zwischen Bundestag und Bundesrat üblich. „Für den Föderalismus kann man nur hoffen, dass das keine Nacht der langen Messer gibt“, sagt die grüne NRW-Fraktionschefin Löhrmann. Statt einen „großen Wurf“ übers Knie zu brechen, sollten die Reformer besser eine „kleine Lösung“ anstreben. Vor allem die Kernkompetenzen der Länder in der Bildungs- und Innenpolitik sollten ausgebaut werden, fordert Löhrmann „die Stärkung der originären Zuständigkeiten“ der Teilstaaten. Die Hürden für eine Jahrhundert-Reform liegen in jedem Fall hoch. Sowohl Bundestag als auch Bundesrat müssen der Föderalismus-Neuordnung mit Zweidrittel-Mehrheit zustimmen.