Einmal einen Manager anfassen

Gestern startete „Dialog mit der Jugend“, ein Projekt des Initiativkreises Ruhrgebiet. In Gesprächen mit Managern sollen Jugendliche Einblicke in die Wirtschaft erhalten. Gestern besuchten die ersten von 1.300 Schülern die RAG

ESSEN taz ■ Mit „echten Wirtschaftslenkern“ und „hochrangigen Industriemanagern“ will der Initiativkreis Ruhrgebiet das Wirtschaftsinteresse von Jugendlichen wecken – bereits zum achten Mal. Gestern startete in der Essener Zentrale der Ruhrkohle AG (RAG) der „Dialog mit der Jugend“, ein Projekt, bei dem Oberstufenschüler Einblicke in das Leben von Top-Managern erhalten sollen. Das sei „Wirtschaft zum Ansehen und Anfassen“, verspricht der Initiativkreis.

Für Werner Müller, den Vorstandsvorsitzenden der RAG, ist die Aktion eine Art Bildungsoffensive. „Wir können zwar nicht nachholen, was die Schulen versäumt haben“, sagt Müller. Dennoch wolle man den Jugendlichen vermitteln, „wie Wirtschaft überhaupt funktioniert“, und wie sie an Lehrstellen kämen. Das ist aber nicht der einzige Grund, warum die RAG Schüler zu sich einlädt: „Wir machen auch deshalb mit, weil die RAG einen Wandel durchlebt“, weiß Müller, der die Veranstaltung ebenso dazu nutzt, das Mäzenatentum seines Konzerns zu bejubeln. Schließlich fördere die RAG die RuhrTriennale, die Ruhrfestspiele, unterstütze Essen bei der Bewerbung zur Kulturhauptstadt, veranstalte einen Wettbewerb für Fotojournalisten und so weiter und so fort.

Dass die Jugendlichen mit den Führungskräften der Konzerne ins Gespräch kommen und nicht etwa mit soliden Angestellten, ist für Initiativkreis-Chef Eckhard Albrecht einleuchtend. Gerade jene mal „leibhaftig zu sehen“, denen man sonst nur im Fernsehen begegnet, erachtet Albrecht als wichtig. In der Vergangenheit haben die Jugendlichen jedenfalls die Chance, einen Manager ins Kreuzverhör zu nehmen, weidlich genutzt. Albrecht weiß sogar davon zu berichten, dass sich an die offiziellen Dialoge weitere Gespräche anfügten. Schließlich drängen sich in Zeiten des Missmanagements ausreichend Fragen auf. Und die dürfen bei den Gesprächen alle gestellt werden.

Ist der „Dialog“ also auch ein Weg, das umstrittene Image der Top-Manager aufzupolieren? RAG-Boss Müller betont, sein Unternehmen habe in der Vergangenheit keine negativen Schlagzeilen geliefert. „Aber natürlich werde ich mich bemühen, einen ordentlichen Eindruck zu machen“, sagt Müller bei der Pressekonferenz über den Dächern Essens, grinst anschließend und bläst dicke Wolken Tabaksqualm in die dünne Luft.

Bis zum Frühjahr des kommenden Jahres werden also rund 1.300 Schüler durch die Großkonzerne der Region tingeln. Zuvor kommen bereits Mitarbeiter in die Klassen, um ihre Firma vorzustellen. Darüber hinaus sollen die künftigen Abiturienten unter fachlicher Anleitung Fallstudien bearbeiten und die Lösungen später multimedial präsentieren. Eine „Zusammenarbeit auf regelmäßiger Basis“ wolle man entwickeln, sagt Albrecht vom Initiativkreis. Mit den 16 beteiligten Unternehmen, darunter RWE, Hochtief und Thyssenkrupp, strebe man deshalb auch längerfristige Schulpartnerschaften an. Als Partner haben die Gymnasien und Gesamtschulen dann ausschließlich von Männern repräsentierte Konzerne. Unter den Gesprächspartnern in den kommenden Wochen befindet sich nämlich keine einzige Frau.

BORIS R. ROSENKRANZ