Prinz Charles jetzt auch noch SPD-Mitglied

SPD-Generalsekretär Olaf Scholz reagiert gereizt auf Fragen nach falschen Wahlzetteln und richtigen Skandalen. „Das ist keine Geschichte vom englischen Königshof.“ Scholz redet lieber über den Parteitag. Der war? „Sehr gut“

Ginge es Scholz als Prinz Charles besser? Spräche das für Charles oder gegen Scholz?

BERLIN taz ■ Alle Achtung. Der SPD ist es in den vergangenen sechs Tagen eindrucksvoll gelungen, das schlechte Wahlergebnis für ihren Generalsekretär Olaf Scholz durch fulminante Kommentare („Euch mach ich fertig“) frühzeitig in den Durchlauferhitzer der Medienmaschinerie zu jagen. Dort wurde aus der anfänglichen Parteitagspeinlichkeit in Windeseile ein „Intrigantenstadl“ (Sigmar Gabriel). Unabdingbare Voraussetzung seiner täglichen Aufführung: die erhöhte Temperatur aller Beteiligten. Interessante Details der Inszenierung: alles und jedes. Ihre Hauptdarsteller: jeder Genosse, der bis drei zählen kann.

Da Olaf Scholz ohne Zweifel zu diesen Intelligenzbestien gezählt werden muss, leistete er selbstverständlich seinen Beitrag zum Intrigantenstadl, Teil 6. Er tat das zwar etwas widerwillig – als Generalsekretär muss er jeden Montag nach der SPD-Präsidiumssitzung vor die Presse –, aber doch mit Sinn für völlig neue Aspekte der Aufführung. Scholz wies die Kritiker des Stückes zurecht, bestimmt, aber gerade noch so freundlich, dass man ihm nicht unbedingt Beleidigung vorwerfen kann.

Den Hintergrund für den Auftritt von Scholz bildeten Berichte vom Wochenende, wonach in der Berliner Parteizentrale noch vor der Wahl des Generalsekretärs Stimmzettel für einen möglichen zweiten und dritten Wahlgang gedruckt worden waren. Auf diesen Zetteln stand der Name des Niedersachsen Sigmar Gabriel – ausgerechnet des Mannes also, den die SPD-Führung verdächtigte, er wollte den glücklosen Scholz beerben. Intrige? Skandal? Oder nur Schlamperei? Das Werk eines „übereifrigen Mitarbeiters der unteren Ebene“, wie die Spitze des Willy-Brandt-Hauses am Sonntag mitteilte.

Scholz war es natürlich unangenehm, auch noch am Montag darüber reden zu müssen. Ja, diesen „Zettel“ habe es gegeben. Nein, er sei nicht gedruckt worden. Ja, diesen „Zettelentwurf“ habe ein „Mitarbeiter eines unteren Bereichs“ Wochen vor dem Parteitag erstellt. Nein, als „Stimmzettel“ habe dieser „Zettelentwurf“ in Bochum nicht vorgelegen, er sei sofort aus dem Verkehr gezogen worden, als ein „Mensch mit politischem Sachverstand“ darauf geguckt habe. Ja, der Vorgang sei „ärgerlich“. Nein, er, Scholz, habe den Zettel persönlich nicht gesehen, er habe auch nicht vor, ihn zu sehen. Ja, er habe heute mit Sigmar Gabriel telefoniert. Nein, sie hätten kein Problem miteinander. Auch im Präsidium habe keiner böse Nachfragen gestellt oder ihn trösten müssen. Die Sitzung sei „Ausdruck von Gemeinsamkeit und Solidarität“ gewesen.

Und während Scholz sich die Antworten aus der Nase ziehen lässt, wird sein schmaler Mund schmaler und schmaler. „Der Vorgang ist gelaufen. Er ist die Aufregung nicht wert“, sagt er gleich zweimal. Bei dritten Mal variiert er. Der Vorfall sei „aufgebauscht“. Aber die Journalisten würden sich ja sowieso wieder „ihre Geschichten zusammenrühren“. Die Journalisten rühren nicht, sie fragen. Zum Beispiel, wie lange und worüber Scholz mit Gabriel geredet habe. „Es geht nicht um eine Geschichte vom englischen Königshof“, antwortet der Generalsekretär und schickt der Fragestellerin noch die freundliche Bemerkung hinterher, ihm sei entgangen, dass dass sie neuerdings für die Bunte arbeite.

Englischer Königshof ist ein gutes Stichwort. Aber bevor man darüber nachdenken kann, ob es Scholz als Prinz Charles nicht besser ginge und ob das jetzt eher für Prinz Charles oder gegen Scholz spräche – schon ist der General (Sekretär?) bei seinem Lieblingsthema. Dem SPD-Parteitag. Der sei „sehr ordentlich, sehr gut“ gewesen. „Wegweisende Beschlüsse“ habe er gefasst, Rente, Bildung, Familie und so weiter. „Jetzt geht es nach vorn“, davon sei er überzeugt, sagt Scholz. Im nächsten Satz muss er schon wieder einräumen, dass die „positiven Ergebnisse“ durch die Intrigenberichte der Medien „überlagert“ werden.

Aber zum Glück rückt die gesamte SPD-Spitze im Januar und Februar zu einer „Dialogoffensive“ aus. Da kann die Führung erklären, wie es wirklich war mit dem Parteitag und wie es wirklich ist mit ihrer Politik der sozialen Gerechtigkeit.

Ganz am Ende wird Scholz gefragt, was er gedenkt, nach seiner Schlappe anders zu machen. Er sagt zehn Sätze, alle klingen sie, als sagte er immerzu „nichts“. Dann doch ein Eingeständnis: „Jeder, der Politik macht, denkt jeden Tag darüber nach, was er besser machen kann.“ Ein Tag Nachdenken würde vielleicht schon reichen. JENS KÖNIG