Termin verpasst

Der VfB Stuttgart verliert im DFB-Pokal mal wieder 0:3 beim FC Bayern München und blamiert sich dabei reichlich

MÜNCHEN taz ■ „Kein Nachtisch für Sammer.“ Schon nach 35 Minuten hatte der Kollege eine Reihe tiefer auf der Pressetribüne die Überschrift zu seinem Artikel ins Laptop gehackt – und so blieb sie dort bis zum Abpfiff stehen. Aber: Was sollte sie bloß bedeuten? Musste Matthias Sammer, Trainer des VfB Stuttgart, an diesem Abend tatsächlich ohne Nachtisch ins Bett? Als symbolische Bestrafung gewissermaßen, die er ebenso wie seine Mannschaft verdient gehabt hätte. Denn, um es mit den Worten von Sammer zu untertreiben, diese hatte „von Anfang an zu ängstlich gespielt, um hier etwas zu reißen. Wir haben in der 40. Minute das erste Mal aufs Tor geschossen.“

Und das, übrigens, auch nur, weil die Abwehrspieler des FC Bayern Zvonimir Soldo so lange entschlossen ignorierten, bis dem Stuttgarter gar nichts anderes übrig blieb, als aus 25 Metern drauf- und drüberzuhalten. Gut, so etwas kann natürlich auch klappen: Fünf Minuten vor Soldos Verzweiflungstat rollte der Ball im Niemandsland der Stuttgarter Hälfte plötzlich vor die Füße von Owen Hargreaves. Der englische Nationalspieler im roten Dress des FC Bayern überlegte, schaute – und nahm sich dann alle Zeit der Welt, um Torwart Timo Hildebrand auszuspähen, Standbein und Körper schulmäßig auszurichten und aus 25 Metern mit links und voller Wucht gegen den Ball zu treten. In diesem Moment war eigentlich jedem der 24.000 Zuschauer im Stadion schon völlig klar: Dieser Schuss kann nur im Tor landen. Das tat er dann auch.

Zu diesem Zeitpunkt, als Timo Hildebrand zornesbebend seine Abwehr beschimpfte und oben auf der Tribüne ein Journalist Matthias Sammer mit Dessertentzug belegte, hätte es längst 3:0 oder 4:0 für den FC Bayern stehen müssen, aber Roy Makaay hatte zweimal haarscharf neben das Tor gezielt und war einmal an Hildebrand gescheitert. Der VfB Stuttgart hingegen wäre, hätte es sich um einen Boxkampf gehandelt, längst wegen fortwährender Passivität des Ringes verwiesen worden.

Weil sich der VfB auch in der zweiten Halbzeit nicht besserte, kaum einen Zweikampf gewann und vom sonst so brillanten Kombinations- und Flügelspiel nicht einmal etwas zu ahnen war, setzte es noch zwei weitere Gegentore. Zum 2:0 in der 69. Minute traf Ballack per Kopf, die Flanke aber kam von Owen Hargreaves, dem überragenden Mann des Spiels. Er trieb Stuttgarts weißrussischen Dribbelkünstler Aliaksandr Hleb ebenso zur Verzweiflung, wie er vor wenigen Wochen das Wolfsburger Mini-Genie Andres D’Alessandro in Grund und Boden gerannt hatte. Darüber hinaus kurbelte Hargreaves aber das auch das Bayern-Spiel aus der Tiefe des Raumes heraus mit einer solchen Dynamik an, dass man sich gelegentlich an die großen Zeiten eines gewissen Lothar Matthäus erinnert fühlte.

Dabei galt Hargreaves noch vor einigen Wochen als Auslaufmodell im überbesetzten 26-Mann-Kader des FC Bayern, doch wenn er diese Form beibehält, könnte England bei der WM 2006 ein echtes Problem darstellen. Eine schöne Geschichte schrieb an diesem Abend zudem Bayern-Nachwuchsstar Paulo Guerrero, der zweimal innerhalb von 25 Stunden ins Viertelfinale einzog: Am frühen Dienstagabend erzielte der 19-jährige Peruaner zwei Tore zum 3:2-Sieg der Bayern-Amateure gegen Braunschweig, am Mittwoch nun wurde er in der zweiten Halbzeit bei den Profis eingewechselt und spielte in der 79. Minute einen wunderschönen Außenristpass auf Roy Makaay, der den zögerlichen Hildebrand überlief und zum 3:0 traf. Ein gewohntes Bild: So endeten bereits die letzten beiden Pokaltreffen der beiden Mannschaften.

Es folgte, leider, noch der Auftritt von Matthias Sammer. Vor der Partie hatte er bereits über ein „blödes Pokalspiel“ lamentiert, um nun zu erklären, dass ihm „das Spiel vom Termin her nicht gepasst“ habe. „Sie müssen mal in die Kabine schauen und die Spieler sehen, die sind fertig, wir haben wirklich kein leichtes Programm“, entschuldigte sich Sammer anschließend weiter – und ließ einen sichtlich pikierten Felix Magath zurück, der ebenfalls nicht über mangelnde Auslastung klagen kann. Im kleinen Kreis kommentierte der Ex-VfB- und Jetzt-Bayern-Trainer sarkastisch: „Mir passt jeder Termin.“ Selbst der für das Viertelfinale. JÖRG SCHALLENBERG

Bayern München: Kahn - Kuffour, Lucio, Kovac, Salihamidzic - Hargreaves - Frings, Ballack, Schweinsteiger (83. Demichelis) - Makaay (83. Scholl), Pizarro (64. Guerrero) VfB Stuttgart: Hildebrand - Delpierre, Stranzl, Babbel, Lahm - Meißner (81. Vranjes), Soldo, Heldt (58. Tiffert) - Hleb - Cacau (79. Szabics), Kuranyi Zuschauer: 24.000Tore: 1:0 Hargreaves (35.), 2:0 Ballack (69.), 3:0 Makaay (79.)