Runder Tisch gesprengt

Die Veranstaltung zur Zukunft des Schanzenfestes geht in Konfettiregen und Gejohle unter. Initiativen und Anwohner verweigern die Anmeldung des Festes, sie fürchten die Kommerzialisierung

VON MARCO CARINI

Die Veranstaltung dauerte genau siebzehn Minuten, dann musste sie aufgelöst werden. Zum runden Tisch zur Zukunft des Schanzenfestes waren auf Einladung des Bezirksamtes Altona am Mittwoch um 18 Uhr zwar rund einhundert Personen im Jesus-Center am Schulterblatt erschienen, die meisten aber nicht um zu reden, sondern um eine „karnevaleske Party“ zu feiern.

Die ersten Wortbeiträge der Bezirksvertreter gingen im allgemeinen Gejohle und Konfettiregen unter, bereits nach wenigen Minuten verließen die zwei anwesenden Vertreter der Innenbehörde fluchtartig den Raum. Um 18.17 Uhr brach das Bezirksamt die Veranstaltung ergebnislos ab. Für Marco Haase, den Sprecher der Innenbehörde, auf deren Initiative der runde Tisch anberaumt worden war, ein Beweis, „dass hier politische Gruppen und einige Anwohner nicht den Dialog suchen, sondern nur auf Provokation und Randale aus sind“.

Im Anschluss an den runden Tisch kam es zu Rangeleien zwischen den auf dem Schulterblatt versammelten Demonstranten gegen eine „Kommerzialisierung des Schanzenfestes“ und den aufgefahrenen polizeilichen Einsatzkräften. Insgesamt hielt die Polizei 318 Beamte vor, um die etwa 120 Protestierer im Zaum zu halten.

Im vergangenen September hatte Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) vollmundig angekündigt, ein nicht ordnungsgemäß angemeldetes Schanzenfest in Zukunft nicht mehr zu dulden. Da jedes Jahr im Anschluss an das seit 1988 stattfindende Straßenfest zudem Krawalle im Schanzenviertel stattfänden, müssten Innenbehörde, Bezirksamt und Polizei nun über das weitere Vorgehen beraten. Auf Intervention der GAL schob der Senator schließlich nach, dass auch die Anwohner und Initiativen aus dem Stadtteil bei dem runden Tisch herzlich willkommen seien.

Doch die hatten im Vorfeld des runden Tisches bereits signalisiert, an einer solchen Veranstaltung nicht interessiert zu sein. So heißt es in einem von BewohnerInnen des Schanzenviertels verfassten Flugblatt: „Wir nehmen an dieser Alibiveranstaltung weder teil, noch sprechen wir dieser die Legitimität zu, dass Schanzenfest als Verhandlungsmasse zu betrachten.“

Die Rote Flora ließ verlauten, sie werde sich „unter keinen Umständen daran beteiligen, ein von Gruppen und Initiativen aus dem Stadtteil seit Jahren erfolgreich organisiertes Fest in ein behördlich-polizeilich überwachtes Kommerz-Event umwandeln zu lassen“. Und auch die Initiatoren des Centro Sociale in der Sternstraße lehnten es ab, an einem runden Tisch teilzunehmen, bei dem es „nicht um die Bedürfnisse der AnwohnerInnen geht“, sondern darum, „dass die Wünsche der Innenbehörde erfüllt werden sollen“. Die geforderte Anmeldung des Festes würde zu „zahlreichen Auflagen“ führen, die „mit hohen Kosten verbunden“ seien und in letzter Konsequenz das Schanzenfest zu einer „kommerziellen Massenware à la Alstervergnügen“ mutieren lassen würden.

Auch Anwalt Marc Mayer, der für den Mieterverein „Mieter helfen Mietern“ an dem runden Tisch teilnehmen wollte, lehnt das Anmeldungsbegehren ab. „Jede Auflage würde den nicht-kommerziellen Charakter dieses bunten Festes einschränken.“ Zudem müsse ein Anmelder laut geltender Rechtssprechung befürchten, „für die im Anschluss an das friedliche Fest stattfindenden Krawalle in Haftung genommen zu werden“ – und das ohne darauf „irgendeinen Einfluss nehmen zu können“. Mayer: „Diese Auseinandersetzungen sind alleine ein polizeiliches Problem, das kein runder Tisch mit der Beteiligung von Initiativen lösen kann.“

Nach dem Scheitern des runden Tisches will der Altonaer Bezirksamtsleiter Jürgen Warmke-Rose (parteilos) einen weiteren Versuch unternehmen, „mit dem uns bekannten dialogbereiten Teil der Initiativen“ ins Gespräch zu kommen und doch noch einen Anmelder zu finden, um „aus dem geduldeten ein genehmigtes Fest“ zu machen.

Klar sei aber auch, „dass ein solcher Anmelder aus der Haftung für alles entlassen werden“ müsse, „was nach dem offiziellen Ende des Schanzenfestes passiert“ – ein Vorstoß, der sich mit den Interessen der Innenbehörde nicht deckt. Um den nicht-kommerziellen Charakter des Festes zu bewahren, will Warmke-Rose „sehr ernsthaft darüber nachdenken, allen privaten Flohmarktständen, die Nutzungsgebühren zu erlassen“.

Scheitert der Vorstoß des Bezirksamtsleiters, liegt der schwarze Peter wieder bei der Innenbehörde. Sie würde zu Beginn eines unangemeldeten Schanzenfestes abwägen müssen, ob sie die Veranstaltung mit Polizeigewalt räumt oder entgegen ihrer Ankündigung toleriert. Schon zweimal hatte die Polizei – in der Zeit von Innensenator Ronald Schill – mit der Räumung der Stände begonnen, diesen Versuch mangels Erfolgsaussichten aber entnervt abgebrochen.