Mädchen können besser lesen

Die „Vera“-Schulvergleiche bestätigen die Probleme in der Grundschule: Lesen ist Mädchensache, Rechnen Jungensache. Und Migrantenkinder ohne gute Deutschkenntnisse sind ganz arm dran

Von Klaus Wolschner

Was leisten unsere Schulen? Auf diese schlichte wie wichtige Frage gibt es keine schlichte Antwort – trotz des großen Aufwandes an Tests. In der Bildungsdeputation wurden gestern die Zusammenfassungen der letzten „Vera“-Tests verteilt – „Vera“ ist die Abkürzung von Vergleichsarbeiten. Für die SchülerInnen im dritten Jahrgang (Grundschule) gibt es Vera schon seit Jahren, erstmals wurde 2008 auch Vera8 für SchülerInnen der achten Klassen im Fach Mathematik geschrieben.

Die Schulen haben ihre spezifischen Ergebnisse schon früher zurück gemeldet bekommen – streng vertraulich. Für die Öffentlichkeit sind nur zusammenfassende Ergebnisse vorgesehen. Für den Kompetenzbereich „Zahlen und Operationen“ ist da zu lesen, dass im Jahre 2008 nur 14,1 Prozent das höchste Kompetenzniveau erreicht haben, 2007 waren das immerhin 27,4 Prozent der getesteten SchülerInnen. Das heißt aber nicht, dass es nur halb so viele gute SchülerInnen gab – die Tests 2008 sind einfach nicht mit denen 2007 vergleichbar. Nicht vergleichbar sind auch die Testergebnisse in verschiedenen Bundesländern – weil die Tests unterschiedlich gehandhabt werden, wie der Vera-Beauftragte der Bildungssenatorin, Dietmar Kirchhoff, erklärt.

Die Vera-Ergebnisse bestätigen dennoch die dramatische Problematik im Bremer Bildungsystem: Ein knappes Drittel der 3-Klässler verfügt nur über „grundlegende Fähigkeiten“ im Bereich „Sprachbetrachtung“, weitere zehn Prozent konnten „keinen Nachweis über das Erreichen des Fähigkeitsniveaus 1“ erbringen. Im Bereich des Lesens kommt die Hälfte nicht über das Niveau 1 hinaus.

Diese Ergebnisse sind weiter aufgeschlüsselt nach den Leistungen von Jungen und Mädchen. Es zeigt sich, dass im Bereich „Zahlen und Operationen“ durchweg 5 Prozent mehr Jungen in den jeweils höheren Fähigkeitsniveaus befinden, bei dem Bereich „Größen und Messen“ sogar zehn Prozent. Umgekehrt haben die Mädchen beim Lesen einen Vorsprung von rund 5 Prozent, beim Schreiben sind es sogar durchschnittliche zehn Prozent. Gravierender noch sind die Unterschiede, wenn man die Kinder nach Eltern, bei denen „Deutsch dominant“ ist, und solchen, bei denen das nicht der Fall ist, aufteilt: Die Kompetenz-Gruppen verschieben sind um 15-20 Prozent – auch in den eher mathematischen Bereichen. Nur 6,5 Prozent der Kinder mit Migrationshintergrund erreichen die höchste Kompetenzstufe im Bereich Schreiben, immerhin knapp 13 Prozent sind es im Bereich „Größen und Messen“.

Die Kombination von geschlechterspezifischer Bildung und Bildung nach Migrationshintergrund taucht in der Auswertung der Vera-Ergebnisse nicht auf.

Einzelne Bundesländer haben begonnen, die Vera-Tests auf die achten Jahrgangsstufen auszudehnen. Im ersten Durchlauf für das Arbeitsgebiet Mathematik haben die Fachleute vom Bremer Bildungsressort dabei aber zunächst Erfahrungen für das Know-how gesammelt. Da ist zum Beispiel ein Bild mit einer Zapfsäule abgebildet mit dem Steueranteil von 73 Cent pro Euro. Die zwischen 14 und 17 Jahre alten SchülerInnen sollten die Feststellung erklären: „Wenn der Staat überhaupt keine Steuern auf Benzin mehr erheben würde, würde der Benzinpreis auf etwa ein Viertel des jetzigen Preises sinken.“ 3,9 Prozent der Mädchen und 8,6 Prozent der gestesteten Jungen konnten das.

Signifikant ist auch der Vorsprung der Gymnasien gegenüber den Gymnasial-Klassen der Schulzentren. Die privaten Schulen, die (freiwillig) teilgenommen haben, liegen im Schnitt dicht hinter den Gymnasien.