Die Erleuchtung kommt von unten

Die Ausstellung „Überseestadt“ erhellt im Paula Modersohn-Becker Museum die Zukunft des Bremer Hafenquartiers

Inzwischen plant man eine Nutzung des Überseehafens für Wohnzwecke

„Sie schlenderten die Hafenstraße entlang, am Zollhaus, an den Kneipen, an all den Männern und Mädchen vorbei, die da hin und her liefen, sie gingen bis zum Wall und sahen den Graben und die Mühle und die Eisenbahnbrücke. Ein Zug glitt über den Damm dahin, und seine Lichter flogen durch das Grabenwasser.“

In Friedo Lampes Roman „Am Rande der Nacht“ erhält man eine Ahnung davon, dass Bremen einmal ein urbanes Hafenviertel besaß – weserabwärts, gleich hinterm Wallgraben. Das ist lange her. Danach gab es den Krieg und einen Wiederaufbau nach den Gesetzen der funktionsgetrennten Stadt. Der Hafen war nun nur noch Hafen, durch einen Wall abgeschnitten von den angrenzenden Wohnquartieren der Arbeiter. Und auch die Verbindung zur Innenstadt wurde gekappt – durch eine monströse Verkehrsanlage mit dem prosaischen Namen „Nordwest-Knoten“.

Doch das wird bald Geschichte sein. Wie in Zukunft das Hafenquartier rechts der Weser aussehen soll, das dann „Überseestadt“ heißen wird, zeigt eine Ausstellung in der Böttcherstraße. Das Paula Modersohn-Becker Museum präsentiert den Masterplan für eine mit 300 Hektar Ausdehnung wahrlich gigantische Fläche. Doppelt bis dreimal so groß wie die Hamburger Hafencity, wird voller Stolz herausgestellt – aber auch mit einer Portion Respekt. Denn die Größe ist in Zeiten, in denen Investoren rar sind, vielleicht eher ein Handicap. Und auch die städtebauliche Anbindung an die City ist in Bremen ungleich schwieriger als in der großen Schwesterstadt.

Deshalb gilt es, erst einmal die Idee der Überseestadt „in die Stadt hineinzukommunizieren“, so Bausenator Jens Eckhoff (CDU). Das Zugpferd der Ausstellung ist das zwei mal sieben Meter große Modell. Passend zur vorweihnachtlich illuminierten Innenstadt sind auch im Modell die aus Plexiglas geschnittenen Andeutungen der zukünftigen Bebauung von unten effektvoll erleuchtet.

Was hier so visionär neu daherkommt, hat allerdings eine Vorgeschichte von rund anderthalb Jahrzehnten. Als der politische Beschluss fiel, das Becken des Überseehafens zuzuschütten und dort – im Zentrum des Areals – den Großmarkt anzusiedeln, schien die Zukunft ein für alle mal auf eine rein gewerbliche Nutzung hin programmiert. Doch fast unmerklich trat eine Wende zu einer anderen Nutzungsvorstellung ein. Sinnbildhaft steht dafür der Einzug der Hochschule für Künste in den historischen Speicher XI. Inzwischen befasst sich eine Arbeitsgemeinschaft aus acht privaten Investoren mit der Entwicklung eines zehn Hektar großen attraktiven Bereichs am Wendebecken – auch für Wohnzwecke. Am gegenüberliegenden innenstadtseitigen Abschluss des drei Kilometer langen Geländes ist gerade ein Straßendurchbruch zur westlichen Innenstadt, dem Faulenquartier, abgesegnet worden. Da auch das Faulenquartier vor einem Strukturwandel steht (Radio Bremen wird sich dort ansiedeln), könnte hier ein Initialpunkt der Überseestadt entstehen. Ein anderer scheint am „Überseetor“ im Anschluss an den Stadtteil Walle möglich.

Das Architekturbüro Schomers und Schürmann, von dem der Masterplan stammt, hat an diesen Punkten Hochhäuser konzentriert. Am Überseetor findet man sogar Rekonstruktionen von zwei Hochhausentwürfen Mies van der Rohes aus den frühen zwanziger Jahren. Das sei symbolisch gemeint, kommentiert Rainer Schürmann: Es soll den Anspruch auf architektonische Qualität im neuen Quartier unterstreichen. Dass sich zukünftige Investoren mit diesem Anspruch anfreunden, bleibt zu hoffen. Ebenso, dass sich der mittig wie ein Pfropf platzierte Großmarkt nicht allzu entwicklungshemmend auswirken möge. Doch Städtebau sei nun mal das Bohren dicker Bretter, heißt es. Bei der Überseestadt hat man dafür schon mal dreißig Jahre veranschlagt. Eberhard Syring

„Überseestadt. Modell für Bremens Zukunft“ ist bis zum 8. 2. 2004 zu sehen