Hochschulen zurückbauen, ohne abzubauen

Bayern erläutert, was es von den Unis erwratet: Weniger Geld – mehr Studienplätze. Dissens zwischen Professoren und Studenten bei Gebühren

„In Bayern hat Bildung Vorfahrt.“ Das ist der Leitsatz von Wissenschaftsminister Thomas Goppel (CSU). Da nun aber quer durch die bayerischen Ministerien der Rasenmäher fährt, um zehn Prozent der Budgets zu kürzen, muss der Leitsatz variiert werden. „Qualitätssteigerung im Bildungswesen“ heißt nun die neue, wohlklingende Zielvorgabe. Unters Volk gebracht wurde sie gestern vom Vorsitzenden des Hochschulausschusses Ludwig Spaenle (CSU), der erklärte, wie man Bayerns Hochschulen zurückbauen kann, ohne sie zurück zu bauen.

Das Projekt funktioniert in einem, so Spaenle „interessanten Prozesses“: Bayerns Regierer erwarten von den bayerischen Unis internationale Spitzenleistungen, „eine größere Zahl akademischer, junger Menschen“ - und die Herausgabe von Mitteln, um den strapazierten Haushalt zu konsolidieren. Das ist die Quadratur des Kreises.

Um zehn Prozent soll der Hochschuletat zusammengestrichen werden. Diesen Beschluss wollte das Kabinett Edmund Stoibers (CSU) gestern mit Details unterlegen. Für die LMU bedeutet das, dass „100, 150 oder 200 Stellen“ gestrichen werden müssen. Sagte Rektor Huber und übernahm Goppels sogleich Sprachregelung, das Rückbauprojekt sprachlich zu verhübschen. Das seien Zahlen, so Huber, bei denen er nicht mehr von „Rückbau“ sprechen wolle („das klingt negativ“). Er bevorzuge den Begriff „Umbau“.

Sogar die Studenten selbst sollen mithelfen beim Sparen: CSU-Politiker Spaenle setzt vermehrt auf Tutorien. Das heißt: Studierende sollen für Studierende tun, was eigentlich Hochschullehrer und Dozenten besorgen: Lehre machen. Dafür dürfen sich die Studis dann Tutoren nennen.

Spaenle nannte die studentische Großdemo in München vergangenen Donnerstag mit mehr als 20.000 Studis „sehr beeindruckend“. Rektor Huber hat offenbar die Anweisung erhalten, den Studis dafür einen Erfolg zu schenken. Er nahm den vor einigen Tagen verhängten Einstellungsstopp wieder auf.

Mit mehr Widerstand muss die hessische Landesregierung rechnen. Auch die Studis an der Technischen Universität Darmstadt haben sich dem Vorlesungsboykott in Hessen angeschlossen. Seit gestern sind die Hörsäle und Seminarräume weitgehend leer, die Studierenden auf der Straße.

„Hier geht es um etwas Grundsätzliches“, sagte Holger Siche, Öffentlichkeitsreferent beim Asta der TU. „Wir wollen ein kostenfreies Studium.“ Protestiert wird deswegen gegen die Pläne von Ministerpräsident Roland Koch (CDU). Er will eine Gebühr für Langzeitstudenten von 500 bis 900 Euro pro Semester einführen und von allen Studierenden für Rückmeldungen eine Verwaltungsgebühr von 50 Euro zahlen lassen. Im Asta der TU nennt man das „einen Türöffnermechanismus“. Die Umwandlung in eine echte Studiengebühr inklusive späterer Erhöhungen sei dann nur noch „eine Kleinigkeit“.

Unterstützung erhalten die Kommilitonen von einem Teil ihrer Professoren. „Studiengebühren benachteiligen die sozial Schwachen und sind vom Staat leicht zu manipulieren“, hat Michael Hartmann, Soziologieprofessor der TU, den Studis in ihre Streikzeitung geschrieben. „Wirklich treffen wird es die Kinder von Arbeitern, kleinen Angestellten oder Beamten. Sie sind unter den Langzeitstudierenden überproportional vertreten.“ Diese Kommilitonen müssen ihr Studium fast zur Hälfte durch Arbeit finanzieren. „Das sorgt nicht für schnelles Studieren.“

Allerdings sind nicht alle Professoren gegen die Studiengebühren. Der Präsident der Rektorenkonferenz, Peter Gaehtgens, stelle gegenüber der taz klar, dass die deutschen Rektoren für Gebühren seien. Er kritisierte die Länder wegen ihrer widersprüchlichen Haltung zu Einnahmen: „Man kann den Unis nicht das eine verbieten – und das andere nicht tun.“ Das heißt: Gaehtgens fordert die Erlaubis zu Erhebung von Studiengebühren – und eine Erhöhung der staatlichen Mittel. Die Studis wollen nur das zweite – und keine Gebühren.

HÄGLER/FÜLLER/HAVLAT