Vertrauensvorschuss für Teheran

Im Streit um Irans Atomprogramm einigen sich die USA und die EU auf einen Kompromiss. Anders als von Washington gewünscht, wird der UN-Sicherheitsrat vorerst nicht mit der Frage befasst, dafür aber Teheran weiter genau beobachtet

von BAHMAN NIRUMAND

Nach tagelangen Verhandlungen haben die USA sich mit Deutschland, Großbritannien und Frankreich im Konflikt über das iranische Atomprogramm geeinigt. Ein entsprechender Resolutionsentwurf wird heute dem Gouverneursrat der internationalen Atombehörde (IAEA) in Wien zur Verabschiedung vorgelegt. Offenbar haben die USA ihre Absicht, den UN-Sicherheitsrat einzuschalten, aufgegeben und sich mit den EU-Staaten auf die Formulierung geeinigt: „Sollten weitere schwerwiegende Verstöße Irans ans Licht kommen, wird der Gouverneursrat sofort zusammenkommen, um in Anbetracht der Umstände und der Empfehlung des Generaldirektors alle verfügbaren Optionen zu erwägen.“ Gemäß des Statuts der IAEA gehört auch die Anrufung des Sicherheitsrats zu diesen Optionen.

Kern des Streits war, wie der Rat auf den vorige Woche von der Atombehörde vorgelegten Bericht reagieren sollte. Darin wird festgestellt, dass Iran seit 18 Jahren permanent gegen den internationalen Atomwaffensperrvertrag verstoßen und die Behörde über sein Atomprogramm nicht informiert hatte. Zu den aufgelisteten Verstößen zählten die geheime Produktion von Plutonium und die Anreicherung von Uran. Zugleich wurde erklärt, die Inspektoren hätten bisher keinen Hinweis auf den Bau von Atombomben gefunden. Schließlich wurde Iran bescheinigt, in den letzten Monaten mit der IAEA voll kooperiert und den Inspektoren zu allen Anlagen Zugang gewährt zu haben.

Der Bericht war bereits vor der letzten Gouverneursratsitzung am 20. November von der US-Administration als unglaubwürdig kritisiert worden. Außenamts-Staatssekretär John Bolton erklärte: „Es ist einfach unmöglich, den Ausführungen des Berichts zu glauben.“ Iran habe 18 Jahre die Atombehörde getäuscht und gegen seine Verpflichtungen schwer verstoßen. Die Schlussfolgerung, es gebe keine Beweise für ein militärisches Atomprogramm, sei abwegig und für die USA nicht hinnehmbar.

Der Plan der USA, den Sicherheitsrat der UNO anzurufen und Sanktionen gegen Iran zu beschließen, scheiterte vor allem am Widerstand Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens. Die Außenminister dieser drei Staaten hatten am 21. Oktober in Teheran offiziell eine Vereinbarung getroffen, wonach Iran sich verpflichtete, sein Programm zur Anreicherung von Uran „vorübergehend“ einzustellen und das Zusatzprotokoll, das der IAEA unangemeldete Inspektionen erlaubt, zu unterzeichnen. Im Gegenzug akzeptierten die EU-Außenminister, die friedliche Nutzung der Nuklearenergie und die Entwicklung moderner Technologie in Iran zu unterstützen.

Trotz des enormen Drucks aus Washington hielt die EU an dieser Abmachung fest. Christina Gallach, Sprecherin des EU-Außen- und Sicherheitsbeauftragten Javier Solana, sagte, die EU werde ihre bisherige Iranpolitik des „Konstruktiven Dialogs“ fortsetzen. „Wir stehen nach wie vor zu der Teheraner Vereinbarung vom 21. Oktober“, sagte sie.