Fragwürdige Delikatessen

Hirntiere ade: Junge Maler rücken den Betrachtern wieder auf den Leib, beweist eine Schau in Delmenhorst

Aaaaáárrrgh!!! Ein Bild wie ein Urschrei. Im Himmel lilarote Neonfarbe. Grün knallt dagegen der Tannenwald. Vom Boden herauf wuchert gelbes Gespritz: die Wiese. Und das in strengster Komposition: Das hellgraue Auto steht tatsächlich im Goldenen Schnitt. Führe es weiter geradeaus, versänke es im mondbespiegelten Tümpel. Unheimlich.

Ist das wirklich unheimlich? Und wenn ja: weshalb? UnHEIMlich heißt eine Ausstellung in der Städtischen Galerie Delmenhorst. Und Armin Boehms mit Öl auf Nesselstoff gewütetes Gemälde Auto ist dort zu sehen – neben neun weiteren, sehr jungen Positionen gegenständlicher Malerei: Boehm ist Jahrgang ’72. Zu den bekannteren Größen gehören die Schweizerin Miriam Cahn oder der Belgier Luc Tuymans.

Schon vor zwei Jahren hatte die Delmenhorster Museumsdirektorin Barbara Alms mit der Entdeckung für Furore gesorgt, dass es in der westlichen Welt wieder mehr und mehr Künstler gibt, die ernsthaft mit Pinsel, Öl und Leinwand operieren. Und dabei Gegenstände schaffen, die jeder erkennt. Das war ein Tabubruch, eine Sensation: Selbst die Herald Tribune widmete der Delmenhorster Neorealismus-Schau eine ganze Seite.

Die jetzige Ausstellung erweitert das Feld: Expressive oder symbolistische Positionen hätten nicht unters Realismus-Label gepasst. „Die Kategorie des Unheimlichen“ aber, so Alms, mache „als Scheinwerfer Strömungen sichtbar“ – in vom Stil frappierend unabhängigen Motiv-Übereinstimmungen: Zum Inventar gehören unbehauste Architekturen, behauste Wälder und viele, viele Menschenaffen. Ob das zwangsläufig unheimlich ist? Kategorisch lässt sich das nicht beantworten: Vielleicht kann der Trend als Versuch beschrieben werden, dem Betrachter mit Schauder und Schrecken auf den Leib zu rücken, statt ihn mit ausgeklügelten Konzepten zum Hirntier zu degradieren.

Das freilich ist auch die Strategie des Trivialen: Wer das Unheimliche fassen will, lässt sich auf einen Grenzgang ein. Ein guter Weg scheint dafür, auf plakative Düsternis zu verzichten: Schamlos greift Johannes Hüppi auf Porno-Bildvorlagen zurück: Sexy Bräute, die air-brush-gepainted jeden Biker beglücken würden, liegen im Grase. Gedankenverloren spielen sie mit abgeschlagenen Männerköpfen. Idyllisch auch eine auf Holz gebannte kulinarische Szene. Ihr beiläufiger Kannibalismus lässt das Wasser im Munde zusammen laufen: Ein exquisiter Schrecken, der mit Wucht den Betrachter auf eigene Phantasien stößt. Bes

Delmenhorst, Städtische Galerie, Fischstr. 30, Di–So 10–17, Do bis 20 Uhr. Katalog 16 Euro. Bis 25.1 2004