Eine Stimme für Schwarz-Schill

Vier Abweichler bei Wahl von Bildungssenator Soltau in der Bürgerschaft bringen die Rechts-Koalition beinahe zum Platzen. Hammburg schrammt haarscharf an Neuwahlen vorbei. Die Drohung Schill aber steht bereits ante portas

von PETER AHRENS
und SVEN-MICHAEL VEIT

Gestern um 15.36 Uhr war der Rechts-Senat fast am Ende. Eine Stimme rettete Schwarz-Schill vor dem Aus und verhinderte Neuwahlen in Hamburg. Mit der denkbar knappsten Mehrheit von 59 Ja- gegen 58 Nein-Stimmen bei zwei Enthaltungen und einer ungültigen Stimme wurde FDP-Landeschef Reinhard Soltau von der Bürgerschaft mit Ach und Krach in das Amt des Schulsenators gehievt. Damit haben drei Abgeordnete der Schill-Fraktion nicht für Soltau votiert und einer sogar gegen ihn.

Als das Resultat verkündet wurde, war FDP-Fraktionschef Burkhardt Müller-Sönksen beinahe der Einzige, der in frenetischen Applaus ausbrach. Bürgermeister Ole von Beust (CDU) rührte sich dagegen kaum, und bei CDU und Schill-Fraktion wurde die Wahl fast apathisch aufgenommen. Die Koalitionäre wirkten auch in der anschließenden Debatte zur politischen Situation der Stadt nur noch kraftlos und diffus aggressiv. Die Oppositionsredner hatten bessere Gegner verdient.

Der Mitleidlose

SPD-Fraktionschef Walter Zuckerer sah allerdings keinen Anlass zum Mitleid mit der schwer angeschlagenen Regierung. Er sah bei Schwarz-Schill nach zwei Jahren nur eine „Mischung aus Überheblichkeit, Mediokrität und Dilettantismus“. Und zählte als Kronzeugen dafür die Schill-Senatoren Mario Mettbach und Peter Rehaag, Roger Kusch (CDU) und die parteilose Dana Horáková „in all ihrer unbestrittenen Unterdurchschnittlichkeit“ auf.

Den noch auf Kuba weilenden Ronald Schill, der am Wochenende zum Landesparteitag wie Phönix aus der Asche auftauchen wird, nannte Zuckerer einen „Wiedergänger“, mit dem von Beust demnächst wieder politisch umgehen müsse. Der andere geschasste Spitzenkandidat, FDP-Ex-Senator Rudolf Lange, hörte sich derweil die Debatte gar nicht erst an. Und entging somit Zuckerers rhetorischer Frage, „wer eigentlich in dieser Stadt noch die FDP braucht – außer die FDP sich selbst?“

Der Tagesordner

Das galt auch für den Bürgermeister, der nach der Hälfte der Debatte das Plenum verließ. Dabei wäre sein Auftritt bitter nötig gewesen, denn sein ihm stets ergebener Fraktionsvorsitzender Michael Freytag wurde bei seiner Rede mehrfach von den Oppositionsbänken nur noch ausgelacht und verspottet. „Rücktritte und Ministerwechsel gehören zur Tagesordnung“, versuchte Freytag die schwelende Senatskrise so gering wie möglich zu hängen. Er kündigte ungewollt neue Demissionen an, als er auf sechs Senatorenwechsel unter der SPD-Ägide hinwies und optimistisch ausrief: „Wir liegen also voll im Trend.“ Der Fraktionschef sah sich genötigt, dem neuen Senator eine Ehrenerklärung abzugeben: „Herr Soltau ist ein Gewinn für diese Stadt, er ist führungsstark, integrierend und kommunikationsstark.“

Der Türsteher

„Desaströs“ sei der Zustand der Koalition, konstatierte GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch, und prophezeite, dass es noch schlimmer werde. Die beiden kleinen Koalitionspartner stünden nun ohne „ihr Spitzenduo“ Schill und Lange da, die in „den wichtigsten Ressorts“ der Koalition versagt hätten. Negative Schlagzeilen in der Innenpolitik und ein „Trümmerfeld“ bei Schule und Kitas hätten sie hinterlassen. Und demnächst, so Goetsch, komme Schill zurück. Wenn der „Heilsbringer“ nach dem Schill-Parteitag am Sonnabend seine Wiederauferstehung auf der politischen Bühne zelebriere, „was machen Sie dann, Herr Bürgermeister“, fragte Goetsch den Regierungschef. „Wenn Schill wieder zur Tür hereinkommt, lassen Sie ihn herein“ in ein Regierungsbündnis, welches in Deutschland „der Bastard unter den Koalitionen“ sei? Eine Antwort erhielt die Grüne erwartungsgemäß nicht.

Der Unbeirrte

Sichtlich erleichtert trat Burkhardt Müller-Sönksen in die Bütt, um zu verkünden, dass „Mehrheit eben Mehrheit“ sei und Soltau „der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort“. Die FDP habe damit, so ihr Fraktionsvorsitzender, „unbeirrt ihren Anspruch unterstrichen, die Bildungspartei in Hamburg zu sein und auch zu bleiben“. Eine Formulierung, die auch als Drohung verstanden werden kann.

Der Uneingeschränkte

Schill-Fraktionschef Norbert Frühauf hingegen ging auf das knappe Abstimmungsergebnis mit keinem Wort ein. Wohlwissend, dass die Abweichler aus seinen Reihen stammen, wohlwissend, dass damit auch seine eigenen Führungsqualitäten heftigst in Frage gestellt wurden. Also beschränkte er sich darauf, Soltau „zu gratulieren“ und die „Fortsetzung der eingeschlagenen Reformen in der Bildungspolitik“ zu versprechen. Um sich abschließend über „die Bestätigung“ zu freuen, dass „die Koalition uneingeschränkt handlungsfähig ist und bleiben wird“.

Das allerdings grenzt an beschränkter Wahrnehmung.