Volontäre als Streikbrecher

Oldenburger „Nordwest-Zeitung“ entwickelt ganz neue Methoden im Arbeitskampf

Was macht ein Chefredakteur, dessen Redaktion angekündigt hat, mit einem Warnstreik auf die gerade mal wieder ausgesetzten Tarifverhandlungen einzuwirken? Er lässt sich was einfallen. Leitende Angestellte müssen in solchen Fällen wieder selber in die Tasten hauen. Außerdem kann man endlich mal den Stehsatz wegdrucken, all die Artikel, die es bisher noch nicht ins Blatt geschafft haben.

Am Montag, als bundesweit ein rundes Dutzend Tageszeitungen bestreikt wurden, setzte Rolf Seelheim, Chefredakteur der Oldenburger Nordwest-Zeitung (NWZ), noch einen drauf: Die derzeit 14 VolontärInnen des Regionalblattes wurden ausdrücklich zur Arbeit angehalten, drei von ihnen sogar extra von einer Volontärsschulung aus Berlin wieder ins Oldenburgische zurückbeordert: Auszubildende als gezielt von der Chefredak- tion eingesetzte Streikbrecher. „Empörend“, nennt das NWZ-Betriebsrat Jan Lehmann, Bezirksvorsitzender der Journalisten-Gewerkschaft DJV für den Bezirk Oldenburg, „man kann doch Volontäre nicht als billige Arbeitskräfte bei Streikeinsätzen verheizen.“ Zumal sie, so Lehmann, vom Streikaufruf miterfasst worden seien und Streikrecht besäßen.

Und so sind alle VolontärInnen, sofern sie nicht durch Krankheit verhindert waren, zur Arbeit angetreten. Schließlich ist die Marktlage alles andere als rosig. Und es wäre vermessen, ausgerechnet von Auszubildenden, deren spätere Übernahme nicht eben gesichert sein dürfte, anderes zu erwarten. Die NWZ ist eine der größten Zeitungen im Nordwesten Deutschlands und beliefert eine ganze Reihe anderer Regionalblätter wie die Ostfriesen-Zeitung (Leer) mit ihrem überregionalen Mantelteil. Am Dienstag fand sich im Blatt zum Tarifstreit bzw. zum Streik keine Zeile.

In der NWZ-Redaktion herrscht nun vor allem Unverständnis für die Kollegen, „die sich dafür hergeben, solche Anrufe zu machen und die Volontäre herzubefehlen“, sagte ein Mitarbeiter. NWZ-Chefredakteur Seelheim war trotz mehrfach zugesagten Rückrufs bis zum Redaktionsschluss dieser Seite nicht zu erreichen.

Auch bei der WAZ-Gruppe, bei der zahlreiche Titel und Lokalausgaben von den Warnstreiks am Montag betroffen waren, haben VolontärInnen Teile der Produktion sichergestellt. Hier gab es allerdings keine ausdrückliche Weisungen der Chefredaktionen. „Wir haben den KollegInnen vielmehr geraten, Urlaub zu nehmen oder Sonntagsdienste abzufeiern“, hieß es dazu aus Betriebsratskreisen. STG